260 - Fly me to the moon
du?«
»Holz holen. Drüben in dem halb verfallenen Schuppen, du weißt schon.«
Vor zwei Tagen hatten sie hier spät abends Station gemacht und entschieden, die Nacht in dem verlassenen Haus zu verbringen. Am nächsten Morgen, kurz nach dem Frühstück, hatten die Schmerzen bei Aruula begonnen. Ihrer Natur entsprechend hatte sie trotzdem darauf gedrängt, weiterzumarschieren, aber Matt hatte noch abwarten wollen. Gott sei Dank! Wenig später krümmte sich Aruula unter Krämpfen, und ein paar Stunden darauf traten wechselweise Fieber und Schüttelfrost auf. Matthew packte Aruula in Decken und verordnete ihr strenge Bettruhe.
Dass es einen von ihnen beiden erwischt hatte, war kein Wunder.
Seit Wochen – seit dem 12. Dezember, um genau zu sein – irrten sie nun schon auf der Suche nach Ann im eiskalten Irland herum, und allmählich schwand die Hoffnung, noch eine Spur seiner Tochter zu finden.
Matt wusste, dass Aruula ihm zurliebe die Strapazen auf sich nahm, obwohl in Schottland ein Stück Land mit einer kleinen Burg darauf auf sie wartete. Er liebte sie dafür nur umso mehr, und jetzt war die Gelegenheit, ihr dies auch zu zeigen. Dass er sich um sie kümmerte, tat ihr sichtlich gut – so als hätte sie insgeheim schon lange auf einen solchen Liebesbeweis gewartet.
Es war Matthew Drax in den letzten Wochen nicht leicht gefallen, sich ihr zu öffnen. Erst der Tod ihres gemeinsamen Sohnes in Afra, dann die Entführung – oder Rettung? – seiner Tochter aus einem irischen Dorf, das von den rätselhaften Schatten überfallen worden war. Alle Bewohner hatten sie versteinert vorgefunden, auch Anns Mutter Jenny und deren Begleiter Pieroo; alle bis auf einen verwahrlosten Techno namens Robin Fletscher, der den Überfall aus sicherer Entfernung beobachtet hatte. Und Anns versteinerter Körper war nirgends zu finden gewesen.
Matts Hoffnung war nun, dass ebendieser Fletscher für Anns Verschwinden verantwortlich war. Die Alternative hieß, dass die Schatten sie verschleppt hatten, und diese Option wollte er nicht akzeptieren.
Nach einer kurzen Begegnung war auch Robin Fletscher geflohen; seine Spuren wiesen ins Landesinnere. Matt machte sich Vorwürfe, dass er den Kerl nicht gleich festgesetzt hatte, um ihn später zu befragen. Aber in der panischen Sorge um Ann war er stattdessen zum Strand geeilt, wohin die Schatten laut Fletscher verschwunden waren. Nun suchten sie nach ihm… oder vielmehr ihnen beiden . Matt hielt eisern an dieser Hoffnung fest. Eine Hoffnung, die nach drei Wochen ergebnisloser Suche zu bröckeln begann …
»Geh nur«, riss ihn Aruulas Stimme in die Wirklichkeit zurück.
»Ich glaube, es wird wirklich besser.«
»Sicher?«, fragte er nach. »Du musst nichts Verdorbenes gegessen haben. Es könnte auch der Blinddarm sein.«
Sie versuchte ein Lächeln. »Es gibt viele Möglichkeiten – aber Wudan wird seine schützende Hand über mich halten.« Er strich ihr über das heiße Gesicht, beugte sich zu ihr hinunter und küsste die Lippen, die als Einziges seltsam kalt waren. Wie die einer Toten , dachte er schaudernd. Dann löste er sich von ihr, strich ihr noch einmal über Stirn und Haar und richtete sich auf. Mit wenigen Schritten war er bei der Tür, die nur noch in einer Angel hing. Wenn man sie aufmachte, wie jetzt, musste man sich dagegen stemmen, damit nicht auch noch das letzte rostige Scharnier brach.
Von draußen hievte Matt die grob gezimmerte Tür wieder in die Position, die einigermaßen abschloss. Der Wind blies ihm ein Schneeregengemisch gegen Kleidung und Nacken, sodass ihm ein Schauder über den Rücken rann. Er sehnte sich nach Sommer und Sonne und einem Ende des bleigrauen Himmels.
Schnell lief er zu dem einen Steinwurf entfernten Schuppen, dessen Dach schon vor längerer Zeit eingestürzt sein musste. Dennoch bot er einen gewissen Schutz für das darin gelagerte Holz. Da sie das Cottage verlassen und ohne Hinweise auf den früheren Besitzer vorgefunden hatten, konnte Matt nur spekulieren, wer die Brennholzvorräte angelegt hatte.
Er war fast beim Schuppen, als ihn ein Schrei aus dem Cottage abrupt innehalten und ins Haus zurückstürmen ließ.
Aruula schüttelte sich in Krämpfen, hielt sich den Oberbauch und erbrach alles, was sie die vergangenen zwei Tage zu sich genommen hatte. Voller schlimmer Befürchtungen kniete Matthew sich neben sie.
8.
Im Shuttle
Titus Tsuyoshi starrte auf den Schirm, der Voglers Begleiter so zeigte, wie er wirklich war. Zunächst hatte er
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