260 - Fly me to the moon
ihn töten, unter allen Umständen, und zwar bevor die Kraft der Droge, die den Geist der Krieger schützte, nachließ.
Jors Augen gewöhnten sich rasch an die herrschenden Lichtverhältnisse. Die Machete zum Hieb erhoben, drang er tiefer in die Höhle ein, hoffte und rechnete mit der Gestalt, die er damit spalten, durchbohren oder wie auch immer töten wollte.
Aber… er lief ins Leere.
Die Höhle war nicht leer – es gab unzählige Dinge darin –, aber verlassen.
Wohin der Blick schweifte, keine Spur des Versuchers.
Jors eben noch stolze, zu allem entschlossene Körperhaltung verlor an Spannung, ohne dass der Schamane sich dessen bewusst wurde.
»Der Dämon ist weg…«
Wer es aussprach, war letztlich ohne Bedeutung. Aber der Satz vibrierte noch durch die Höhle, hallte von den Wänden wider… als sich ein anderer Ton darunter mengte. Ein Geräusch, das die Spannung augenblicklich in den Körper des Anführers zurückbrachte.
Er wirbelte herum, hochkonzentriert, der Blick klarer als in jedem anderen Moment dieses Vorstoßes. Vor ihm am Boden, fast im dunkelsten Winkel der Höhle, war etwas am Boden zu erkennen. Aber erst das sich wiederholende Geräusch lenkte den Blick zu der Stelle, wo sich etwas vom übrigen Felsboden abhob. Dünne Zweige, miteinander verflochten zu einer Art Teppich, bedeckten dort drei, vier Quadratmeter.
Jor trat vorsichtig näher. Immer wieder drang das Geräusch – ein Klopfen – von dort aus dem Boden. Mal lauter, mal leiser.
Jor bückte sich, bekam einen Zipfel der Matte zu fassen… und schlug sie mit Schwung zur Seite. Darunter kam eine Grube zum Vorschein.
Ein Versteck , dachte Jor. Der Dämon hat versucht, sich vor uns zu verstecken…
Jors Hand umklammerte den Machetengriff so fest, dass die Knöchel seiner Hand weiß aus der Bräune seiner Haut hervortraten.
Vor ihm leuchtete die Fratze des Feindes. Ein von angeblicher Angst verzerrtes, weibliches Gesicht, durch das ein Strang grüner Pflanzenfasern verlief.
Jor schauderte angesichts des neuerlichen Versuchs einer Täuschung, blieb aber unbeirrt – und gnadenlos.
Stirb! Elendes Ding!
Die Machete fuhr herab.
7.
Irland
Es war empfindlich kalt.
Zumindest empfand Matthew Drax das so. Winterliches Wetter hatte die karge Heidelandschaft mit einer hauchdünnen Schneeschicht überzogen. Ein scharfer Wind trieb die gefühlte Temperatur, kaum dass man die Nase aus dem Cottage streckte, noch weiter in den Keller.
Momentan allerdings stand Matt mit seiner »gefühlten Eiseskälte« im Innern des schwer zu heizenden Steinhäuschens ziemlich allein da. Aruula lag mit Fieber unter einer Wolldecke, die sie immer wieder abzustreifen versuchte. Matt ordnete sie jedoch jedes Mal sofort wieder, weil die Behausung nicht dicht war. Der Wind pfiff durch zahllose Ritzen und Lücken, und Zugluft war das, was Aruula in ihrem geschwächten Zustand am wenigsten gebrauchen konnte.
Das Fieber hatte am Vortag angefangen, begleitet von Schmerzen in der Magengegend rund um den Bauchnabel. Die Kriegerin von den Dreizehn Inseln hatte es zunächst zu ignorieren versucht, doch es war von Stunde zu Stunde schlimmer geworden.
»Vielleicht etwas Falsches gegessen…«
Das war das Naheliegendste gewesen. Doch Aruula war in dieser Hinsicht normalerweise robust. Klinisch sauberes Geschirr hatte nur Matt noch kennen gelernt – immerhin war er das Kind einer Zeit, in der der Hygienewahn manch seltsame Blüte getrieben hatte. Ihm war es folglich um einiges schwerer gefallen, sich an die Lebensumstände dieser Zeit – dem postapokalyptischen 26. Jahrhundert – zu gewöhnen. Ganz ohne Komplikationen war das nicht abgegangen.
Aber letztlich hatte er immer Glück im Unglück gehabt, und wahrscheinlich war es nur normal, dass er sich um seine große Liebe weit mehr Sorgen machte, als er es, bei vergleichbaren Symptomen, bei sich selbst getan hätte.
»Hör auf, mich anzuschauen, als läge ich auf dem Sterbebett…«
Aruulas Stimme war so matt wie der Blick ihrer fiebrigen Augen.
»Tue ich gar nicht.«
»Tust du wohl. Das bisschen Fieber ist morgen vergessen.«
»Und die Schmerzen? Die Krämpfe? Geht’s dir besser?«
Sie sah ihn mit verschwitztem Gesicht und roten Wangen an. »Ich spür’s kaum noch.«
Matt wollte nicht entscheiden, ob das – falls es überhaupt der Wahrheit entsprach – ein gutes oder doch eher schlechtes Zeichen war. »Versuch ein bisschen zu schlafen. Meinst du, ich kann dich kurz allein lassen?«
»Wohin willst
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