Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
263 - Von Menschen und Echsen

263 - Von Menschen und Echsen

Titel: 263 - Von Menschen und Echsen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael M. Thurner
Vom Netzwerk:
unglaublich klang - aus der Vergangenheit der Erde; ein bizarres Schicksal hatte ihn in diese Zeit verschlagen. Wo seine Wurzeln lagen, wusste Grao nicht.
    Wohl aber kannte er Aruulas Heimat: die Dreizehn Inseln im Norden des Kontinents, den die Primärrassenvertreter »Euree« nannten. Dies schien ihm der geeignete Ansatzpunkt für seine Suche. Irgendwann, so hoffte Grao, würden die beiden dort auftauchen. Oder aber er fand vor Ort Informationen über ihren Verbleib.
    In aller Eile schüttete er das Grab wieder auf, trat es mit seinen breiten Füßen platt und rief Thgáan das erste Mal seit langer Zeit zu sich. Es dauerte nur wenige Sekunden, bis sich ein breiter Flügel des Lesh'iye über seinen Kopf legte und ihn vor dem Gussregen schützte.
    Er hätte dieses Schutzes nicht bedurft. Sein Körper war robust genug, um weitaus mehr als einen Sturm dieses Ausmaßes auszuhalten. Selbst ein Blitz, der ihm direkt in den Körper gefahren wäre, hätte Grao nicht sonderlich viel ausgemacht.
    Er ließ sich von Thgáan auf dessen Rücken helfen und befahl ihm, Kisiwaaku - die »Insel der Könige« - so rasch wie möglich zu verlassen.
    Der Lesh'iye gewann mit mehreren kräftigen Flügelschlägen rasch an Höhe. Fast berührte er die Wolken, bevor er mit seinen sensorischen Sinnen eine günstige Thermik erfühlte und in sie einfädelte. Grao befahl einen letzten seitlichen Schlenker, der ihm einen Blick hinab ins Innere des Kraters erlaubte. Das Grau des Regens ließ das Stück Land wie unter einem Weichzeichner erscheinen.
    Die Wurzeln, die aus Daa'tans Leib geragt hatten: Waren sie mit diesem einzeln stehenden Baum verbunden gewesen, dessen Blütenblätter sich nun weitflächig verteilten? Trugen sie einen Rest dessen in sich, was den Jungen einstmals ausgemacht hatte? Oder… nährten sie ihn?
    Thgáan glitt in die Waagerechte zurück, und der Regen spülte all diese seltsamen Gedanken aus Graos Kopf. Er hatte eine Mission zu erfüllen.
    5.
    Hermon veränderte sich, das Leben auf den Dreizehn Inseln änderte sich. Aus dem einst plump wirkenden Krämer wurde, noch bevor die Sonne im Spiel der Jahreszeiten ihre stärkste Kraft erreichte, ein stattlicher und muskelbepackter Mann, dessen Attraktivität immer mehr Frauen anzog. Kriegerinnen, die in ihren Beziehungen stets das Heft in der Hand gehabt hatten, gaben sich nun anschmiegsam und devot. Ältere Frauen blühten auf und traten in Konkurrenz zu jüngeren. Eifersucht wurde zum oft gesehenen Gast in jenen Hütten, in denen einander versprochene Pärchen bislang in trauter Zweisamkeit gelebt hatten.
    Hermon war wie einer seiner wertvollen Edelsteine: Jedermann riss sich um ihn. Die Kriegerinnen wollten seine tiefe, sonore Stimme am Lagerfeuer Geschichten erzählen hören, sie wollten sich vertrauensselig an seine Schulter lehnen, seine Zärtlichkeiten spüren und sich von ihm lieben lassen.
    Bahafaa misstraute dem Händler.
    Ihr war der Mann unheimlich. Er erschien ihr wie ein Gesandter Nidaas, dem Wurm der Arglist, der sich in jedermanns Fleisch bohrte und dort seine Eier namens Niedertracht, Zweifel und Hinterlist ablegte. Eier, die langsam reiften und irgendwann, wenn man am wenigsten damit rechnete, schlüpften und ihr vergiftendes Werk taten.
    Aber erwuchs ihr persönlich denn wirklich Schlechtes aus der Anwesenheit des Händlers? Immerhin waren die Frauen und Männer der Dreizehn Inseln nun mit ihren eigenen Angelegenheiten beschäftigt; kaum jemand interessierte sich mehr für sie. Bahafaa fühlte sich frei wie selten zuvor.
    Sie packte ihre Waffen und machte sich auf den Weg zum Schmiedeplatz. Es war hoch an der Zeit, die Klingen zu schärfen. Vielleicht würde das Geräusch von Metall auf Metall, das seit Wochen nicht mehr erklungen war, die Kriegerinnen aus ihrer Lethargie reißen.
    Bahafaa passierte die Hütte Hermons. Zwei Frauen, Brythuula und Juuna, umrundeten sein Warenlager immer wieder, wie läufige Katzen. Sie gaben vor, die Pelze, Lederwaren und fein gesponnenen Kleider des Händlers zu begutachten. Sie taten es mit weit vorgereckten Brüsten; ihre Körper waren eingeölt, die Gesichter mit grellen Farben beschmiert. Jene Henna-Körpersymbole hingegen, die sie seit ihrer Kindheit und Wudan zu Ehren trugen, wirkten ausgebleicht.
    Hermon erschien und streckte sich; aus dem Inneren der Hütte drang eine weitere weibliche Stimme. Sie klang verlangend und bittend, doch der Händler grinste ohne Zeichen von Verlegenheit, als er sich den beiden Kriegerinnen

Weitere Kostenlose Bücher