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263 - Von Menschen und Echsen

263 - Von Menschen und Echsen

Titel: 263 - Von Menschen und Echsen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael M. Thurner
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zuwandte.
    Er verteilte Küsschen links und Küsschen rechts; er flüsterte den Frauen Intimitäten ins Ohr, sodass sie rot anliefen und verlegen kicherten.
    Bahafaa verstand es nicht. Warum benahmen sie sich wie blutjunge Gören, warum hörten sie auf das Liebeswerben eines Mannes, wenn es doch seit jeher Tradition war, dass die Frauen bestimmten, mit wem sie ihr Lager teilten?
    Hermon, eben noch im Gespräch mit Brythuula versunken, sah hoch und erblickte sie. Er winkte ihr zu. Die Muskeln seines kräftig gebauten Oberkörpers hüpften auf und ab. Sein halbnackter Leib wirkte makellos. Er war schön, in der Tat. So schön, dass es fast schmerzte.
    »Ich bekomme morgen neue Ware!«, rief er ihr zu. »Neue Kleider, neue Waffen, neue schöne Dinge, die aus allen Teilen Eurees stammen!«
    Hermon winkte sie näher. Zögernd folgte Bahafaa der Aufforderung. Seine maskuline Art und seine Unbeschwertheit berührten etwas in ihr, das sie sich selbst nicht erklären konnte. Andererseits fürchtete sie sich, wie so viele der Kriegerinnen in den Bann des Händlers gezogen zu werden.
    Bahafaas Füße nahmen ihr die Entscheidung ab. Sie marschierten drauf los, scheinbar ohne ihr willentliches Dazutun, hin zur Hütte des Händlers.
    Hermon verbeugte sich höflich vor ihr, bot ihr formell ein Stück Brot an und sagte: »Die Fischer des Festlandes haben mir versprochen, den großen Rest meiner Waren hierher zu bringen. Bislang meinte ich, sie nicht zu benötigen. Nun aber, da ich von euch so freundlich aufgenommen wurde, gibt es keinen Grund mehr, sie in irgendeinem alten Lager zu horten, das ich für teures Geld bewachen lassen muss. Zumal ich bald auf Reisen gehen werde und meine Schätze nicht auf zwei Orte verteilt wissen möchte.« Er trat nahe an Bahafaa heran und begutachtete sie von unten bis oben. »Du bist schön, liebste Nachbarin«, flüsterte ihr der Händler vertraulich ins Ohr. »Es bedarf bloß einiger weniger Mittelchen, um deine Vorzüge zu betonen…«
    »Unsinn!«, entfuhr es Bahafaa, und leiser fuhr sie fort: »Mit deinen Schmeicheleien kannst du dumme Gänschen wie die da überzeugen, aber nicht mich.« Woher nahm sie bloß den Mut, derart offen mit dem Mann zu sprechen? - Nun, sie war eine Frau. Eine Kriegerin.
    Hermon gab sich ungeniert. Noch immer war er ganz nahe an ihr. Er roch… seltsam. Seltsam anziehend.
    »Du kennst dich selbst nicht gut genug, Bahafaa. Es sind nicht immer nur die Äußerlichkeiten, die zählen.« Er tippte ihr vor die Brust. »Gib mir ein paar Tage Zeit, und ich hebe jene Schätze, die in dir ruhen. Ich mache aus dir eine selbstbewusste Frau, die es jederzeit mit den - wie sagtest du so schön? - mit den dummen Gänsen aufnehmen kann, wenn es darum geht, die Gunst eines Mannes zu erringen.« Er lächelte und zeigte zwei perlweiß glitzernde Zahnreihen. »Auch gegen die Hautunreinheiten und gegen dein kleines Gewichtsproblem kann ich etwas unternehmen. Es gibt Tränke und Cremes, die Wunder bewirken. Im Vertrauen: Ich benutze sie selbst auch. Lass mich nur machen…«
    »Nein.« Bahafaa wich einen Schritt zurück.
    »Komm schon! Ich weiß, dass du es willst! Gib dir einen Ruck und…«
    »Nein!«
    Woher kam diese Panik? Warum ließ sie sich nicht auf Hermons Vorschlag ein? Er bot ihr an, wonach sie sich seit so langer Zeit sehnte - und sie verweigerte sich?
    »Du hast Angst vor mir, nicht wahr? Vor mir - und vor Veränderungen. Dabei will ich dir nur Gutes.« Hermon lächelte weiterhin. Wenn er sich über ihre Sturheit ärgerte, dann zeigte er es nicht.
    »Ich verzichte, Händler. Ich bin, wie ich bin. Ich wünsche dir und deinen Besucherinnen einen schönen Tag. Möge Wudans Licht auf euch herabscheinen.«
    Bahafaa warf einen letzten bedauernden Blick auf die Hosen und Röckchen, die auf dem Vorplatz der Hütte ausgebreitet waren. Sie packte ihre Rüstungs- und Waffenteile fester und ging ihres Weges, hinab zum Schmiedeplatz. Sie konnte Hermons Blicke fast körperlich in ihrem Rücken spüren. Sie wusste, dass er sich ärgerte - und sie ahnte, dass sie sich von nun an vor dem Händler in acht nehmen musste.
    ***
    »Aus deinem Mund träufelt Gift, und aus deinem Kopf ebenso«, hatte ihr eine alte, betrunkene Kriegerin, die des Lauschens fähig war, vor langer Zeit einmal gesagt. »Halte ihn während der Zusammenkünfte tunlichst geschlossen. Mach dich unsichtbar, bleib im Hintergrund.«
    Es war Mondtag, und die Schamanin Juneeda rezitierte gemeinsam mit Königin Lusaana aus der

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