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263 - Von Menschen und Echsen

263 - Von Menschen und Echsen

Titel: 263 - Von Menschen und Echsen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael M. Thurner
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war. Sie war zu sehr Kriegerin, um sich einzugestehen, dass sie vor einem Mann davongerannt war.
    »Du bist ein seltsamer und Angst einflößender Mensch«, sagte Bahafaa. Wie auch immer sie die Flucht Silesiaas beurteilte - sie äußerte sich mit keiner Silbe dazu. »Ich sehe keinen Grund, dir mehr zu trauen als Hermon dem Händler.«
    »Du solltest es dennoch tun.«
    Ihre Angst war greifbar. Sie fürchtete sich vor Grao - und fühlte sich zugleich von ihm angezogen.
    Bahafaa lachte verlegen. »Na schön. Dann bleib. Aber denk dran: Ich habe dich vor mir gewarnt.«
    ***
    Das fluchtartige Verschwinden Silesiaas und ihrer Töchter sorgte für einige Unruhe, und tagelang machten üble Gerüchte über Bahafaa und ihn die Runde. Grao gab sich große Mühe, alle Ressentiments im Keim zu ersticken. Er beteiligte sich an Gemeinschaftsarbeiten und fügte sich ein in die Rolle als Mann, der die Handlungsherrschaft der Frauen anerkannte. Um Königin, Schamanin und Kriegerinnen für sich einzunehmen, verwendete er Phrasen, die er während seiner jahrelangen Wanderschaft aufgeschnappt hatte und die ihn als »charmant« erscheinen ließen.
    Erst jetzt, da er sich nicht mehr um Daa'tans Erziehung kümmern musste, beschäftigte er sich mit der Sinnhaftigkeit emotionell gefärbter Worte und Gesten. Ihre Verwendung begann einen Sinn zu ergeben. Sie erleichterten ihm den Umgang mit den Menschen und festigten seine Position an der Seite Bahafaas.
    Die seltsame Frau ließ ihn bei sich wohnen und akzeptierte die Zärtlichkeiten, mit denen er sie bedachte. Doch sie schreckte vor dem letzten Schritt zurück. Die Nächte musste er in seinem eigenen Bettlager verbringen.
    »Du wirkst nachdenklich, Groom«, unterbrach Bahafaa seine Überlegungen.
    »Es gibt Dinge, über die ich mir klar werden muss.« Grao griff nach der Handspindel, ließ sie frei hängen und versetzte ihr einen Drehimpuls.
    »Bin ich eines dieser… dieser Dinge?«
    »Nein.«
    Bahafaa ließ ihren Kopf hängen. »Es ist schwer, mit deiner Direktheit umzugehen«, sagte sie. »Hast du eine Ahnung, wie sehr deine Worte verletzen?«
    »Worte können nicht verletzen. Sie besitzen keinerlei Substanz. Sie dienen zur Weitergabe von Informationen.«
    »Und warum weine ich dann?«
    Grao legte die Spindel beiseite und blickte die Frau überrascht an. Tatsächlich. Tränensekret löste sich aus ihren Augen, rann über die Wangen hinab und sammelte sich an Bahafaas Kinn.
    »Ich verstehe das nicht«, murmelte er.
    »Du verstehst so vieles nicht. Und dennoch mag ich dich.«
    Wiederum schlug Graos Sinn für kühle Logik durch und verdrängte das emotionale Allerlei, das sich wie Spinnweben über seinen Verstand gelegt hatte. »Du magst mich, weil ich der einzige… Mensch bin, der es in deiner Nähe aushält. Du suchst nach einem Halt, und ich kann ihn dir bieten.«
    »Nein!«, rief Bahafaa. Etwas zu laut, etwas zu schrill.
    »Du solltest wissen, dass du weder attraktiv noch intelligent genug bist, um einen Mann wie mich zu binden«, fuhr Grao ohne Erbarmen fort. »Ich bleibe in deiner Nähe, weil du mich interessierst. Ich möchte herausfinden, was dich so besonders macht.«
    »Du bist ein Kotzbrocken!«, schrie ihn Bahafaa an. »Ein gefühlloser Klotz, der es verdiente, aufgespießt zu werden!« Die Gesichtszüge der Frau entgleisten und zeigten eine hässliche Fratze - um gleich darauf zu einem herzerbarmenden, schluchzenden Etwas zu werden, das in Grao eine ganz besondere Saite zum Schwingen brachte.
    »Es tut mir leid«, sagte er leise. »Es war nicht so gemeint.«
    Er berührte sie sanft an der Schulter, aber sie wehrte seine Hand ab. »Und ob es so gemeint war! Manchmal glaube ich, dass es dir Spaß macht, mir weh zu tun. Dabei…«, Bahafaa wischte sich die Tränen aus dem Gesicht, ihre Stimme wurde klarer, »dabei dürfte ich dir nicht einmal böse sein. Du bist wirklich so, wie du dich gibst. Du hast niemals gelernt, was es bedeutet, mit Gefühlen umzugehen.«
    »Mag sein. Aber ich bemühe mich, sie zu verstehen.«
    »Nein!« Sie schüttelte heftig den Kopf. »Was du zeigst, ist keinesfalls Verständnis. Du versuchst Empfindungen zu imitieren .« Bahafaa atmete tief durch. »Ich sollte Mitleid mit dir haben.«
    Mitleid? Jetzt und hier?
    Er hatte geglaubt, menschliche Emotionen und ihre Verknüpfungen zumindest ansatzweise durchschaut zu haben. Doch Mitgefühl passte nicht in das Muster, das er sich erarbeitet hatte. Die Menschen waren weitaus komplexer, als er es sich jemals

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