264 - Verschollen
betrachtete nachdenklich den Riesenkadaver. Ob es sich bei diesen Bestien wohl um versprengte Tiere aus jenem Rudel handelte? - Egal! Es wurde Zeit zu handeln.
Während Grace Shalldon einen Bericht abfasste, berief die Kommandantin den Rat ein. Das Ganze beanspruchte zwei Stunden. Nach einer weiteren Stunde wurde einhellig beschlossen, einen EWAT in das Krisengebiet zu entsenden.
***
22. Januar 2526, Mondstation der Marsianer
Container um Container mussten die Männer öffnen, vom kleinsten bis zum größten. Tartus Marvin Gonzales wollte es so. Jedes Werkzeug begutachtete er persönlich, jedes Ersatzteil, jede Waffe, jede Proviantkiste. Erst wenn er den Inhalt eines Containers überprüft hatte, zeichnete er den entsprechenden Posten der Ladeliste ab und der Muligleiter konnte den Container durch die offene Laderaumluke des Shuttles in den Laderaum schieben. Und Gonzales stieg hinterher.
Das Shuttle für die »Mission Ann« hatte an einem der beiden Andockmodule der Mondstation festgemacht. Tartus Marvin Gonzales wusste nicht, wer die bevorstehende Operation zuerst so genannt hatte. Er benutzte diese Bezeichnung nicht, kannte er das Mädchen doch gar nicht. Ihm ging es um diesen blonden Erdmann aus der Vergangenheit, Commander Matthew Drax, den Vater des Kindes.
Ein guter Mann übrigens. Ein wichtiger Mann dazu - ohne seine Mitarbeit würde man die üblen Dinge, die sich in den Tiefen des Weltalls zusammenbrauten, kaum in den Griff bekommen. Es ging um eine potentielle Gefahr, die Drax als »Streiter« bezeichnet hatte und über die er mit der Marsregierung sprechen musste. Darum waren er und seine Gefährtin Aruula vor einer Woche zum Mars aufgebrochen, und Gonzales hatte ihm versprochen, die Suche nach seiner Tochter für ihn fortzusetzen. Allein deswegen war er nicht in die CARTER IV gestiegen und mit zurück zum Mars geflogen.
Morgen ging es los. Innen- und Außenschleuse des Moduls standen offen. Vom Shuttle selbst sah man außer der offenen Laderaumluke nur den knapp zwanzig Zentimeter breiten Streifen der Außenhülle, der die Luke umgab. Die Außenschleuse des Andockmoduls hatte sich mit einer speziellen Vakuumtechnik am Rumpf des Shuttles festgesaugt.
Jeden Container begleitete Tartus Marvin Gonzales ins Shuttle hinein, bis ihn die Männer der logistischen Abteilung an der vorgesehenen Stelle im Laderaum befestigt hatten. Gonzales wollte wissen, wo genau er hinzugreifen hatte, wenn es darauf ankam.
Es gab Leute auf der Mondstation - und in der Marskolonie sowieso -, denen ging seine Gründlichkeit und Gewissenhaftigkeit mächtig auf die Nerven. Doch ohne diese Eigenschaften hätte er es nicht zum Chefingenieur von MOVEGONZ TECHNOLOGY gebracht. Davon abgesehen war es ihm gleichgültig, was andere über ihn dachten und redeten.
»Der Kommandant will Sie sprechen, Tartus Marvin!«, rief jemand vom Logistikteam draußen in der Schleuse.
Ohne Eile stapfte Gonzales aus dem Laderaum, verließ das Shuttle und ging in die Innenschleuse. Ein Monitor hing dort unter der Decke. Das kantige Gesicht eines Mannes in den besten Jahren war darauf zu sehen, ein Angehöriger des Hauses Gonzales, ein Verwandter von Tartus Marvin: Claudius Gonzales, der aktuelle Kommandant der Mondstation.
»Du bist nicht im Trainingscenter bei deiner Besatzung?« Der Kommandant runzelte die Stirn.
»Flieg ja nicht zum ersten Mal mit dem Ding.« Mit einer Kopfbewegung deutete Tartus Marvin hinter sich aufs Shuttle.
»Dennoch…«, Claudius Gonzales suchte nach angemessenen Worten, »… mir scheint, deinen Leuten fehlt es an Motivation. Raul David Angelis zum Beispiel ist gar nicht erst zum Training erschienen. Angeblich ist er krank.«
Tartus Marvin stieß einen Fluch aus. Mit drei Besatzungsmitgliedern wollte er morgen zur Erde fliegen und die Kleine suchen, mit zwei Männern und einer Frau. Wenn nur einer von ihnen krank wurde, war die ganze Operation gefährdet. »Kümmere mich darum«, knurrte er.
»Davon gehe ich aus, Tartus Marvin.« Auf dem Bildschirm verblasste das Konterfei des Kommandanten.
Tartus Marvin trieb das Logistikteam zur Eile an, was ihm spöttische Blicke und hochgezogene Brauen eintrug. Er bemerkte es überhaupt nicht. Mit gewohnter Gründlichkeit kontrollierte er Proviant und Ausrüstung und begleitete jedes Stück zu seinem Platz im Laderaum. So lange, bis auch die letzte Flasche Trinkwasser verladen war.
Zwanzig Minuten später lief er durch die Röhre, die das Andockmodul mit der Zentralkuppel
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