265 - Das letzte Tabu
mir ganz sicher«, bekräftigte Aruula. »Es war, als hätte er nur darauf gewartet, endlich mit einem anderen Lauscher Kontakt aufzunehmen.«
Vogler schüttelte den Kopf. »Das musst du dir eingebildet haben. Die Instrumente zeigten keinerlei Veränderung.«
Aruula streifte ärgerlich die Hand ab, die nach ihr greifen wollte. »Ich weiß, wann ich einen Kontakt habe - und das war einer! Hi'schi ist wach - egal, was deine Instrumente anzeigen! Und schlimmer noch: Sein Geist leidet in dem gefrorenen Körper. Wir müssen ihn aufwecken!«
»Das… das kann ich nicht verantworten«, entgegnete Vogler perplex. »Es ist auch nicht meine Entscheidung, sondern die…«
»… der Wissenschaftler auf dem Mars?« Aruula ballte die Hände zu Fäusten. »Ich bitte dich, du weißt doch auch, worauf das hinauslaufen wird. Sie werden unzählige Experimente mit ihm machen, bevor sie ihn aufwecken. Vielleicht lassen sie ihn auch für immer tiefgefroren, weil es ihnen zu gefährlich ist!«
Voglers Gesichtsausdruck verriet, dass er ihr Recht gab - aber gleichzeitig auch nicht aus seiner Haut konnte. »Ich werde mit den zuständigen Leuten reden und ihnen von deiner Entdeckung berichten«, versuchte er einzulenken. »Glaub mir, er wird nicht mehr lange im Kälteschlaf bleiben. In zwei Tagen erreichen wir den Mars. So lange muss er sich noch gedulden - und du auch.«
Aruula wusste, dass sie diese Haltung nicht brechen konnte. Sie wusste aber auch, was sie in Hi'schis Kopf gesehen und erlebt hatte - und es drehte ihr fast den Magen um, den Ärmsten tatenlos weiter leiden zu lassen.
»Du weißt nicht, was er durchmacht. Schon seit er in diesen Zustand versetzt wurde. Niemand hat sich die Mühe gemacht, mit ihm zu sprechen, ihn näher kennen zu lernen!«
»Es spricht für dich, dass du dich zu seinem Anwalt machst, Aruula, aber es ist unmöglich. Sobald wir angekommen sind, werden Clarice und ich alles in unseren Kräften Stehende tun, aber bis dahin…!«
Aruula wandte sich ruckartig dem Ausgang zu. Sie kam sich vor wie eine Verräterin, weil sie Hi'schi bei ihrer Geistreise Hilfe versprochen hatte. Beistand, den sie nun doch nicht leisten konnte…
»Das Schlimme ist«, fauchte sie im Fortgehen, »dass ich dir nicht mal böse sein kann. Du meinst, was du sagst. Aber du wirst sehen: Wenn wir erst einmal auf dem Mars sind, wirst du nichts mehr für ihn tun können! Dann entscheiden andere.«
Und damit war sie draußen.
***
»Warum so aufgebracht? Wo kommst du überhaupt her?«
Matthew Drax wusste, dass er eine emanzipierte Frau als Partnerin hatte - wenngleich Emanzipation in der Zeit, in die es ihn verschlagen hatte, in so manchem Detail anders definiert werden musste, als die Erfinder des Begriffes es einst wohl gemeint hatten.
»Ich musste etwas klären.« Aruula hatte gewartet, bis sich das Kabinenschott hinter ihr geschlossen hatte. Seither lehnte sie mit den Schulterblättern dagegen und atmete kräftig durch.
»Mit wem? Du siehst aus, als hättest du eine Riesenauseinandersetzung hinter dir - die nicht unbedingt zu deinen Gunsten geendet ist.«
Er kannte sie lange genug, um das zu sehen. Etwas ging ganz und gar nicht nach ihrem Kopf. Und daran hatte sie zu knabbern.
»Es geht nicht um mich. Überhaupt nicht!«
»Um wen dann? Oder um was ? Geht's immer noch um deinen Traum?«
Sie stieß sich von der Tür ab. Aber statt zu ihm zu kommen, steuerte sie das Krankenbett neben ihm an und ließ sich darauf nieder.
Matthew schlug die Decke zurück, stand ächzend vor Muskelkater auf und setzte sich neben sie. Ihre Anspannung war fast greifbar. »Willst du darüber reden oder lieber erst mal deine Ruhe?«
»Ich hatte eine Begegnung mit Vogler.«
»Vogler? Hat er dir was getan?«
»Nein, natürlich nicht. Wir waren zusammen bei Hi'schi. Ich hatte so eine Ahnung, einen Verdacht, und wollte mich vergewissern…«
Plötzlich ging Matt ein Licht auf. »Dass er hinter deinem Albtraum steckt? Du meinst, er könnte…«
Er brauchte nicht weiterzusprechen, Aruula nickte.
»Und? Zu welchem Ergebnis bist du gekommen?«
Sie ließ sich zur Seite sinken, legte ihren Kopf in seinen Schoß und schaute zu ihm auf. Sie sah zum Verlieben aus. Jetzt aber weckte sie eher Matts Beschützerinstinkt. Sie spielte ihm nichts vor, sie war tief getroffen.
Und dann sprudelte es förmlich aus ihr hervor. Am Ende ihrer Ausführungen war Matt ein wenig geplättet. Damit hatte er nicht gerechnet.
»Offenbar ist Hi'schi für so manche Überraschung
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