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2666

2666

Titel: 2666 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roberto Bolaño
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sich, vielleicht etwas zu heftig, aber sie hob und senkte sich), klappte er den Kofferraumdeckel wieder zu, ohne sich zu trauen, vorher das schwarze Tuch wegzuziehen und der Person ins Gesicht zu sehen. Er stieg wieder in den Wagen, der beim ersten Tritt aufs Gas einen Satz machte. Die Berge am Horizont schienen zu verbrennen oder zu schmelzen, aber er fuhr weiter auf sie zu.
    Lalo Cura schlief gut in dieser Nacht. Das Bett war zu weich, aber er schloss die Augen, dachte an seine neue Arbeit und war kurz darauf eingeschlafen. Er war vorher erst einmal in Santa Teresa gewesen; damals hatte er einige alte Kräuterfrauen zum städtischen Markt begleitet. An diese Reise konnte er sich fast nicht mehr erinnern, er war noch sehr jung gewesen. Auch diesmal hatte er nicht viel mitbekommen. Die Lichter der großen Ausfallstraße, dann ein Viertel mit unbeleuchteten Straßen und dann ein Viertel mit großen Häusern hinter hohen, glas gespickten Mauern. Später wieder eine Ausfallstraße in östlicher Richtung und dann ländliche Geräusche. Er schlief in einem Flachbau neben dem Haus des Gärtners, in einem Bett, das in der Ecke stand und unbenutzt war. Die Decke, die er sich überzog, roch nach ranzigem Schweiß. Ein Kissen gab es nicht. Auf dem Bett lagen haufenweise Männermagazine und alte Zeitungen, die er unter das Bett verfrachtete. Um ein Uhr nachts kamen die zwei, die die Betten neben ihm belegten. Beide trugen Anzüge, breite Krawatten und modische Cowboystiefel. Sie machten Licht und schauten ihn an. Der eine sagte: Ein Rotzlöffel. Lalo roch sie, ohne die Augen zu öffnen. Sie stanken nach Tequila, Chilaquiles, Milchreis und Angst. Er schlief wieder ein und träumte nichts. Am nächsten Morgen traf er die beiden Kerle im Haus des Gärtners am Küchentisch. Sie aßen Eier und rauchten. Er setzte sich zu ihnen, trank ein Glas Orangensaft und eine Tasse schwarzen Kaffee, mochte aber nichts essen. Der Chefleibwächter von Pedro Rengifo war ein Ire, den alle Pat nannten und der sie formell miteinander bekannt machte. Die beiden Kerle waren nicht aus Santa Teresa und Umgebung. Der korpulentere der beiden stammte aus dem Bundesstaat Jalisco. Der andere aus Ciudad Juárez im Bundesstatt Chihuahua. Lalo sah ihnen ins Gesicht und hatte nicht den Eindruck, zwei Revolverhelden vor sich zu haben, sondern zwei Feiglinge. Als er mit Frühstücken fertig war, nahm der Chefleibwächter ihn mit in den hintersten Teil des Gartens und drückte ihm eine Desert Eagle Kaliber .50 Magnum in die Hand. Er fragte, ob er damit umgehen könne. Nein, sagte er. Der Leibwächter schob ein Magazin mit sieben Patronen in die Pistole, suchte im Gestrüpp ein paar Dosen zusammen und platzierte sie auf dem Dach eines Autowracks. Eine Weile lang feuerten sie auf die Dosen. Dann erklärte ihm der Leibwächter, wie man eine Pistole lud, wie man sie sicherte, wo man sie tragen musste. Er sagte, seine Aufgabe sei es, für die Sicherheit von Señora Rengifo, der Frau des Chefs, zu sorgen, und er müsse mit den beiden Männern zusammenarbeiten, die er bereits kenne. Er fragte, ob er wisse, was er verdienen werde. Er teilte ihm mit, dass alle zwei Wochen Zahltag sei, dass er höchstpersönlich sich darum kümmere und es von der Seite keine Klagen geben werde. Er fragte ihn nach seinem Namen. Lalo Cura, sagte Lalo. Weder lachte der Ire, noch schaute er ihn komisch an, noch glaubte er, man wolle sich über ihn lustig machen. Stattdessen schrieb er seinen Namen in ein schwarzes Büchlein, das er in der Gesäßtasche seiner Jeans verwahrte, und beendete die Unterweisung. Beim Abschied sagte er noch, er heiße Pat O'Bannion.
    Im September wurde eine weitere tote Frau gefunden, in einem Auto, abgestellt im Neubaugebiet Buenavista jenseits der Siedlung Lindavista. Ein einsamer Ort. Bislang gab es dort nur einen ersten Fertigbau, der den Grundstücksmaklern als Büro diente. Das übrige Gelände bestand zu gleichen Teilen aus Ödland und einer Gruppe kranker Bäume mit weiß bepinselten Stämmen, einzige Überlebende eines früheren Wäldchens und einer Wiese, die ein sich dort stauendes Grundwasservorkommen versorgte. An Sonntagen war auf dem Gelände am meisten los. Ganze Familien und Geschäftsleute rückten an, um sich das Bauland anzusehen, ohne übermäßige Begeisterung zu zeigen, denn die interessantesten Parzellen waren längst vergeben, obwohl noch niemand angefangen hatte zu bauen. An den übrigen Wochentagen gab es Besichtigungen nach Vereinbarung, und

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