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Conan genannt, die Unternehmer Conrado Padilla und René Alvarado sowie Don Pablo Negrete, der Rektor der Universität, mit Gattin, wer verheiratet war, die anderen allein, wobei die Junggesellen im Vergleich düsterer und schweigsamer waren, nur einer schien mit seiner Situation hochzufrieden, lachte unablässig und erzählte Anekdoten, und einen gab es, der, obwohl verheiratet, ohne seine Gattin eingeladen worden war. Während des Essens wurde nicht über Verbrechen geredet, sondern über Geschäfte (die wirtschaftliche Situation der Grenzregion war gut und konnte noch besser werden) und über Filme, insbesondere über die, an denen Kessler als Berater mitgearbeitet hatte. Nach dem Kaffee und dem, man könnte sagen augenblicklichen Verschwinden der von ihren Gatten entsprechend instruierten Frauen nahmen die Männer, nunmehr in der Bibliothek, die weniger an eine Bibliothek als an das Trophäen- oder Jagdzimmer eines herrschaftlichen Landguts erinnerte, mit anfangs übertriebener Vorsicht das große Thema in Angriff. Zum Schrecken einiger antwortete Kessler auf die einleitenden Fragen mit Gegenfragen. Fragen, die er obendrein an die falschen Leute richtete. So fragte er zum Beispiel Conan Mitchell, was er als Bürger der Vereinigten Staaten denke, was in Santa Teresa vor sich gehe. Jene, die des Englischen mächtig waren, übersetzten. Einige fanden, es sei stillos, sich zuerst an den US-Amerikaner zu wenden. Zumal ihn das in seiner Eigenschaft als US-Bürger zu fragen. Conan Mitchell sagte, er habe diesbezüglich keine vorgefasste Meinung. Daraufhin richtete Kessler die gleiche Frage an Rektor Pablo Negrete. Dieser zuckte die Schultern, probierte ein Lächeln, sagte, seine Sache sei die Welt der Kultur, hüstelte und schwieg. Schließlich wollte Kessler die Meinung von Doktor Garibay hören. Meine Meinung als Bewohner dieser Stadt oder als Gerichtsmediziner? fragte Garibay. Ihre Meinung als ganz normaler Bürger, sagte Kessler. Ein Gerichtsmediziner wird schwerlich je ein ganz normaler Bürger sein, sagte Garibay, zu viele Leichen. Die Erwähnung der Leichen dämpfte die Stimmung in der versammelten Runde. Der Generalstaatsanwalt von Sonora ließ ihm eine Akte aushändigen. Einer der Kriminalbeamten sagte, er glaube, es gebe tatsächlich einen Serienmörder, aber der sitze bereits im Gefängnis. Der Oberstaatsanwalt erzählte Kessler von Haas und der Bisonbande. Der andere Kriminalbeamte wollte wissen, was Kessler von Nachahmungstätern halte. Kessler hatte Mühe, die Frage zu verstehen, bis Conan Mitchell ihm »copycats« zuraunte. Der Rektor der Universität schlug ihm vor, einige Oberseminare zu halten. Der Bürgermeister wiederholte, wie glücklich ihn seine Anwesenheit in der Stadt mache. Auf dem Rückweg ins Hotel in einem städtischen Dienstwagen dachte Kessler, dass alle diese Leute doch wirklich sehr nett und gastfreundlich waren, so wie er sich Mexikaner vorgestellt hatte. Erschöpft träumte er in der Nacht von einem Krater und von einem Mann, der den Krater umkreiste. Dieser Mann bin wahrscheinlich ich, sagte er sich im Traum, aber er maß dem keinerlei Bedeutung bei, und das Bild erlosch.
Mit dem Töten angefangen hat Antonio Uribe, sagte Haas. Daniel begleitete ihn und half ihm hinterher, die Leichen loszuwerden. Aber mit der Zeit erwachte Daniels Interesse, obwohl das nicht das richtige Wort ist, sagte Haas. Und was wäre das richtige Wort?, fragten die Journalisten. Würde ich sagen, wenn keine Frauen im Raum wären, sagte Haas. Die Journalisten lachten. Die Reporterin von El Independiente de Phoenix sagte, sie sei nicht zimperlich. Chuy Pimentel fotografierte die Anwältin. Auf ihre Art eine schöne Frau, dachte der Fotograf: Gute Figur, groß, stolzer Blick, was brachte eine solche Frau dazu, ihr Leben in Gerichtssälen und mit Besuchen ihrer Klienten im Gefängnis zu verbringen? Sag es, Klaus, sagte die Anwältin. Haas sah zur Decke. Das richtige Wort, sagte er, ist aufgeilen. Aufgeilen?, sagten die Journalisten. Das, was Daniel Uribe seinen Vetter tun sah, geilte ihn auf, und bald fing er ebenfalls an, zu vergewaltigen und zu töten. Scheiße, stieß die Reporterin von El Independiente de Phoenix hervor.
Anfang November fanden Schüler einer Privatschule aus Santa Teresa während eines Ausflugs an der steilsten Flanke des Cerro La Asunción, auch bekannt als Cerro Dávila, die Überreste einer Frau. Über das Handy des Lehrers, der die Gruppe beaufsichtigte, wurde die Polizei verständigt,
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