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2666

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Titel: 2666 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roberto Bolaño
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glaubte, im Wirbel des Windes Gelächter und Akkordeonmusik zu hören. Nördlich des Industriegeländes erstreckte sich ein aus Müll entstandenes Dächermeer. Nach Süden zu erkannte er jenseits der Elendsviertel eine Lichterinsel und wusste sofort, dass dort ein weiterer Industriepark lag. Wie der heiße, fragte er den Taxifahrer. Der Taxifahrer stieg aus und schaute einen Moment in die von Kessler gewiesene Richtung. Muss der Industriepark General Sepúlveda sein, sagte er. Die Sonne begann zu sinken. Lange hatte Kessler keine so schöne Dämmerung gesehen. Die Farben wirbelten im Sonnenuntergang, und das erinnerte ihn an einen Abend, den er vor Jahren in Kansas erlebt hatte. Es war nicht genauso, aber was die Farben betraf schon. Er erinnerte sich, dass er dort mit dem Sheriff und einem Kollegen vom FBI unterwegs gewesen war und der Wagen eine Weile gehalten hatte, wahrscheinlich weil einer der drei pinkeln musste, und da sah er es. Quirlige Farben im Westen, Farben wie tanzende Riesenschmetterlinge, während von Osten die Nacht wie ein Einbeiniger herangehumpelt kam. Fahren wir, Chef, sagte der Taxifahrer, stellen wir das Glück nicht auf die Probe.
    Was für Beweise hast du denn, Klaus, dass die Uribes die Serienmörder sind?, fragte die Reporterin von El Independiente de Phoenix. Im Gefängnis erfährt man alles, sagte Haas. Einige Journalisten nickten zustimmend. Die Reporterin aus Phoenix sagte, das sei unmöglich. Das ist bloß eine Legende, Klaus. Eine von den Häftlingen in die Welt gesetzte Legende. Ein trügerischer Ersatz für die Freiheit. Im Gefängnis erfährt man das wenige, das die Gefängnismauern überwindet, mehr nicht. Haas sah sie erbost an. Ich wollte sagen, dass man im Gefängnis alles erfährt, was sich an den Rändern des Gesetzes abspielt. Das ist nicht wahr, Klaus, sagte die Reporterin. Es stimmt, sagte Haas. Nein, tut es nicht, sagte die Reporterin. Das ist doch eine Großstadtlegende, eine Kinoerfindung. Man hörte die Anwältin mit den Zähnen knirschen. Chuy Pimentel machte ein Foto von ihr: Schwarzes Haar, gefärbt, das ihr Gesicht verdeckte, leichte Adlernase, die Lidränder mit Kajal nachgezogen. Hätte sie zu entscheiden gehabt, wären alle um sie herum, die Schatten an den Rändern des Fotos, auf der Stelle verschwunden, auch der Raum und die Strafanstalt mit Strafvollzugsbeamten und Sträflingen, die hundertjährigen Gefängnismauern von Santa Teresa, und übrig geblieben wäre nur ein Krater, und im Krater nichts als Schweigen und die undeutlichen Umrisse von ihr und Haas, aneinandergekettet in der Tiefe.
    Am vierzehnten Oktober wurde abseits der Pistenstraße, die von der Siedlung Estrella zu den Bauernhöfen jenseits der Grenzen von Santa Teresa führte, die Leiche einer weiteren toten Frau entdeckt. Sie trug ein langärmliges, marineblaues Hemd, eine rosa Jacke mit schwarzen und weißen Längsstreifen, Levi's-Jeans, einen breiten Gürtel mit samtüberzogener Schnalle, Halbstiefel mit Pfennigabsätzen, dazu weiße Strümpfe, einen schwarzen Slip und einen weißen BH. Als Todesursache nannte der gerichtsmedizinische Befund Ersticken infolge von Strangulation. Um den Hals hing ihr ein weißes, zweiadriges Elektrokabel von einem Meter Länge und mit einem Knoten in der Mitte, das augenscheinlich dazu gedient hatte, sie zu erwürgen. Zusätzlich wurden am Hals Spuren äußerer Gewalteinwirkung festgestellt, als hätte jemand, bevor er das Kabel benutzte, versucht, sie mit den Händen zu erwürgen, des Weiteren Abschürfungen am linken Arm und rechten Bein sowie Druckstellen am Gesäß, als hätte man sie getreten. Laut Gutachten war sie seit drei oder vier Tagen tot. Ihr Alter schätzte man auf fünfundzwanzig bis dreißig. Nachträglich wurde sie als Rosa Gutiérrez Centeno identifiziert, achtunddreißig, vormals Arbeiterin in einer Maquiladora, zum Zeitpunkt ihres Ablebens Kellnerin in einer Cafeteria in der Innenstadt von Santa Teresa und seit vier Tagen vermisst. Es war ihre gleichnamige sechzehnjährige Tochter, mit der sie in der Siedlung Álamos zusammenwohnte, die sie identifizierte. Die junge Rosa Gutiérrez Centeno sah die Leiche ihrer Mutter in den Räumen des Leichenschauhauses und sagte, das sei sie. Um auch letzte Zweifel auszuräumen, erklärte sie, dass die rosa Jacke mit den schwarzen und weißen Längsstreifen ihr gehöre, ihr Eigentum sei; wie vieles andere habe sie sie sich mit ihrer Mutter geteilt.
    Es gab Zeiten, in denen wir uns täglich sahen. Sicher,

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