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2666

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Titel: 2666 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roberto Bolaño
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Mal erlaubt ist, ihrem Zuhälter beim Ankleiden zu helfen, aber Kessler bemerkte es nicht. Um neun hielt er einen nicht öffentlichen Vortrag vor einer ausgewählten Gruppe von vierundzwanzig Polizisten, von denen die meisten in Zivil erschienen, einige wenige aber auch in Uniform. Um zehn Uhr dreißig besuchte er die Dienststelle der Kriminalpolizei, wo er kurz unter den zufriedenen Augen seiner polizeilichen Begleiter an Computern und Programmen zur erkennungsdienstlichen Behandlung Verdächtiger herumspielte und -probierte. Um elf Uhr dreißig gingen alle zum Essen in ein Restaurant in der Nähe des Polizeigebäudes, das auf nordmexikanische Küche spezialisiert war. Kessler bestellte einen Kaffee und ein Käsesandwich, aber die Kriminalbeamten bestanden darauf, er müsse von einem mexikanischen Vorspeisenteller kosten, den der Restaurantchef persönlich auf zwei großen Tabletts hereintrug. Der Anblick der Vorspeisen erinnerte Kessler an chinesisches Essen. Nach dem Kaffee wurde ihm ungefragt ein Gläschen Ananassaft hingestellt. Er probierte, und sofort bemerkte er den Alkohol. Ganz schwach, nur für den Geschmack oder als Kontrapunkt zum Geschmack der Ananas. Das Glas aufgefüllt mit fein zerstoßenem Eis. Einige Vorspeisen waren knusprig und die Füllung undefinierbar, andere hatten eine weiche Außenhaut wie die von gekochten Früchten, waren aber mit Fleisch gefüllt. Auf einem Tablett lagen die scharfen, auf dem anderen die weniger scharfen Sachen. Kessler probierte erst von den Letzteren. Gut, sagte er, sehr gut. Dann probierte er von den scharfen und trank den restlichen Ananassaft. Sie essen gut, diese Hurensöhne, dachte er. Um eins fuhr er mit zwei Englisch sprechenden Kriminalbeamten los, um sich zehn Orte anzuschauen, die er vorher aus den erhaltenen Akten herausgesucht hatte. Hinter ihnen setzte sich ein weiterer Wagen mit Kriminalbeamten in Bewegung. Erste Station war der Barranco de Podestá. Kessler stieg aus und ging in Richtung Barranco, zog einen Stadtplan heraus und notierte etwas darin. Dann bat er die Polizisten, ihn zum Neubaugebiet Buenavista zu fahren. Dort angekommen, stieg er nicht einmal aus. Er faltete die Karte auseinander und kritzelte vier Sachen hinein, die den Polizisten unverständlich blieben, und wollte dann weiter zum Cerro Estrella. Sie gelangten von Süden dorthin, über die Siedlung Maytorena, und als Kessler nach dem Namen des Viertels fragte und die Polizisten ihn nannten, bestand er darauf, anzuhalten und ein Stück zu laufen. Der Wagen, der ihnen folgte, hielt neben ihnen, und der Fahrer fragte mit einer Kopfbewegung die Insassen des vorausfahrenden Wagens, was los sei. Der Beamte, der neben Kessler auf der Straße stand, zuckte die Schultern. Am Ende stiegen alle aus und trotteten hinter dem US-Amerikaner her, während die Leute sie schief ansahen, einige befürchteten das Schlimmste, andere nahmen an, es handele sich um eine Rotte Drogenhändler, obwohl einige in dem Alten, der vorneweg lief, den berühmten FBI-Detective erkannten. Zwei Blocks weiter entdeckte Kessler ein Lokal, vor dem unter einer Laube und Sonnensegeln aus blau-weiß gestreiftem Leinen Tische draußen standen. Der Boden bestand aus abgelaufenen Bohlen, und das Lokal war leer. Setzen wir uns einen Moment, sagte er zu einem der Beamten. Man sah von dort den Cerro Estrella. Die Polizisten stellten zwei Tische zusammen, setzten sich, zündeten sich Zigaretten an und konnten nicht anders als sich anzulächeln, als wollten sie sagen, da sind wir, Señor, stets zu Diensten. Junge Gesichter, dachte Kessler, energische Gesichter gesunder, junger Burschen, einige werden sterben, bevor sie grau sind, bevor Alter oder Angst oder nutzloses Grübeln sie runzlig gemacht haben. Eine Frau mittleren Alters mit weißer Schürze kam aus dem hinteren Teil des Lokals. Kessler sagte, er wolle einen Ananassaft auf Eis, wie er ihn am Vormittag getrunken hatte, aber die Polizisten rieten ihm, etwas anderes zu bestellen, dem Wasser, mit dem in diesem Viertel Saft gemacht werde, sei nicht zu trauen. Das englische Wort für »trinkbar« fiel ihnen nicht gleich ein. Was trinken Sie, Amigos, fragte Kessler. Bacanora, sagten die Polizisten und erklärten ihm, dass es sich um ein Getränk handele, das nur in Sonora gebrannt werde, aus einer Agavenart, die nur hier vorkomme und nirgends sonst in Mexiko. Dann probieren wir doch mal diesen Bacanora, sagte Kessler, während ein paar Kinder die Köpfe hereinsteckten und die

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