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den Mathematiker, der aufrecht und mit übereinandergeschlagenen Beinen dasaß und ihn anschaute. Er fragte, ob etwas geschehen sei. Ich habe gesehen, was ich nicht hätte sehen dürfen, sagte der Mathematiker. Popescu bat ihn, das genauer zu erklären. Wenn ich das täte, erwiderte der Mathematiker, würde ich wieder verrückt und womöglich sterben. Aber für ein Genie wie Sie bedeutet der Aufenthalt hier so viel wie lebendig begraben zu sein. Der Mathematiker lächelte gütig. Sie irren sich, sagte er, gerade hier habe ich alles, was ich brauche, um nicht zu sterben: Medikamente, Zeit, Krankenschwestern und Ärzte, einen Block für meine Zeichnungen, einen Park.
Kurz darauf jedoch starb der Mathematiker. Popescu nahm an der Beerdigung teil. Anschließend ging er zusammen mit anderen Schülern des Verstorbenen in ein Restaurant, wo sie aßen und bis in die frühen Abendstunden beieinandersaßen. Sie erzählten sich Anekdoten über den Mathematiker, sprachen über Nachruhm, einer verglich das Schicksal des Menschen mit dem einer alten Hure, ein Bursche, der kaum aussah wie achtzehn und gerade von einer Indienreise mit seinen Eltern zurück war, rezitierte ein Gedicht.
Zwei Jahre später traf Popescu auf einem Fest rein zufällig einen der Ärzte, die den Mathematiker während seines Aufenthalts in der Irrenanstalt behandelt hatten. Der Mann war jung und eine ehrliche Haut mit einem rumänischen Herzen, also aufrecht durch und durch. Außerdem war er ein wenig betrunken, was Vertraulichkeiten begünstigte.
Der Arzt erzählte, der Mathematiker habe bei seiner Einlieferung Symptome einer akuten Schizophrenie gezeigt, die schon nach wenigen Tagen einen günstigen Verlauf nahm. Einmal, als er Nachtwache hatte, sei er zu ihm gegangen, um ein wenig mit ihm zu plaudern, denn der Mathematiker schlief trotz Schlaftabletten kaum, und die Klinikleitung hatte ihm erlaubt, das Licht so lange brennen zu lassen, wie er es für richtig hielt. Seine erste Überraschung erlebte er, als er die Tür öffnete. Das Bett war leer. Für eine Sekunde erwog er die Möglichkeit einer Flucht, aber dann entdeckte er ihn zusammengekauert in einer dunklen Ecke. Er kniete sich neben ihn, und nachdem er festgestellt hatte, dass er in guter körperlicher Verfassung war, fragte er, was geschehen sei. Nichts, sagte der Mathematiker und sah ihn mit Augen an, in denen ein Ausdruck unermesslichen Grauens lag, wie es der Arzt in seinem ganzen Leben nicht gesehen hatte, obwohl er täglich mit vielen, ganz unterschiedlichen Geisteskranken zu tun hatte.
»Und wie muss man sich den Ausdruck unermesslichen Grauens vorstellen?«, fragte Popescu.
Der Arzt rülpste zweimal, rutschte auf seinem Sessel hin und her und antwortete, es sei gleichsam ein Ausdruck von Frömmigkeit gewesen, von leerer Frömmigkeit allerdings, nur ihr Fell, gewissermaßen, als wäre die Frömmigkeit der mit Wasser gefüllte Fellbeutel eines tatarischen Reiters, der in die Steppe hinausgaloppiert und dabei immer kleiner wird, bis er ganz verschwindet. Dann aber kommt der Reiter zurück, oder der Geist des Reiters kommt zurück, oder der Schatten oder die Idee des Reiters, und bei sich hat er den leeren Fellbeutel, ohne Wasser jetzt, denn auf seiner Reise hat er ihn ausgetrunken, oder er und sein Pferd haben alles ausgetrunken, es ist ein normaler Beutel, ein leerer Beutel, unnormal wäre nämlich ein prall mit Wasser gefüllter Beutel, aber ein mit Wasser prall gefüllter Beutel, ein monströser, prall gefüllter Beutel bewirkt kein Grauen, er weckt keines und sondert erst recht keines ab, ein leerer Beutel dagegen schon, und das ist es, was er im Gesicht des Mathematikers gesehen hatte, unermessliches Grauen.
Noch interessanter aber war, sagte der Arzt zu Popescu, dass der Mathematiker sich kurz darauf wieder gefangen hatte und der irre Ausdruck spurlos aus seinem Gesicht verschwand und seines Wissens auch nie mehr wiederkehrte. Das war die Geschichte, die Popescu zu erzählen hatte, und wie zuvor Entrescu entschuldigte er sich für seine Weitschweifigkeit und dafür, die Runde wahrscheinlich gelangweilt zu haben, was die anderen eilig verneinten, obwohl sie nicht sehr überzeugend klangen. Von da an verlor der gesellige Abend allmählich an Schwung, und bald darauf zogen sich alle auf ihre Zimmer zurück.
Für den Soldaten Reiter war das noch nicht alles an Überraschungen. Bei Tagesanbruch spürte er, dass ihn jemand schüttelte. Er schlug die Augen auf. Es war Kruse. Ohne die
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