2666
bevor sie sich von der Öffnung abwandten, und es erfüllte sie mit tiefer Bewunderung oder Entsetzen.
Nachdem sie einige weitere, in Dunkelheit und Schlaf versunkene Beobachtungspunkte passiert hatten, gelangten sie, wohin sie hatten gelangen wollen, zu dem von neun Kerzen erleuchteten Zimmer der Baroness von Zumpe, das von dem Porträt eines mönchischen Soldaten oder eines Kriegers in der gesammelten und gequälten Haltung eines Eremiten beherrscht wurde, in dessen Gesicht, das etwa einen Meter über dem Bett schwebte, sich die Kümmernisse lebenslanger Keuschheit, Bußfertigkeit und Entsagung spiegelten.
Verdeckt von einem nackten, an Rücken und Beinen wollig behaarten Mann erkannten sie die Baroness von Zumpe, deren rote Locken und blendend weiße Stirn ab und zu hinter der linken Schulter ihres Beschälers hervorblitzten. Anfangs wirkten die Schreie der Baroness auf Reiter alarmierend, und es brauchte eine Weile, bis er begriff, dass es Lustschreie und keine Schmerzensschreie waren. Als die Paarung beendet war, stand General Entrescu vom Bett auf, und sie sahen ihn an einen Tisch treten, auf dem eine Wodkaflasche stand. Sein noch immer steifer oder halbsteifer Penis, von dem eine nicht unbeträchtliche Menge Sperma troff, maß wohl an die dreißig Zentimeter, überlegte Wilke hinterher, und der Augenschein sollte ihn nicht trügen.
Er war da weniger wie ein Mensch als wie ein Pferd, berichtete Wilke seinen Kameraden. Und auch seine Ausdauer ähnelte besagtem Huftier, denn nachdem er ein Glas Wodka getrunken hatte, kehrte er ins Bett zurück, wo die Baroness von Zumpe schlief, drehte sie um und begann sie erneut zu stoßen, erst ganz sanft, dann mit aller Gewalt, so dass die Baroness, mit dem Rücken zu ihm, sich den Handballen blutig biss, um nicht zu schreien. Mittlerweile hatte sich Wilke die Hose aufgeknöpft und masturbierte gegen die Wand gelehnt. Reiter hörte es neben sich stöhnen. Erst dachte er, es würde sich um eine Ratte handeln, die zufällig in ihrer Nähe verendete. Ein Rattenjunges. Aber als er Wilkes Penis sah und Wilkes Hand, die sich vor- und zurückbewegte, empfand er Abscheu und stieß ihm in die Rippen. Wilke beachtete ihn überhaupt nicht und masturbierte weiter. Reiter betrachtete sein Gesicht: Wilkes Profil sah hochinteressant aus. Es sah aus wie der Kupferstich eines Arbeiters oder Handwerkers, eines unschuldigen Fußgängers, den plötzlich das Mondlicht blendet. Er schien zu träumen oder besser gesagt für einen Moment die riesigen schwarzen Mauern zu durchbrechen, die Wachen und Schlafen voneinander trennen. Er ließ ihn also in Ruhe, und nach einer Weile fing er selbst an, sich zu berühren, erst diskret, von außen, dann offen, holte seinen Penis hervor und bearbeitete ihn im Rhythmus des Generals Entrescu und der Baroness von Zumpe, die sich jetzt nicht mehr in die Hand biss (ein Blutfleck hatte sich neben ihren schweißnassen Wangen auf den Laken ausgebreitet), sondern weinte und Worte sprach, die weder der General noch sie verstanden, Worte, die über Rumänien hinausreichten, sogar über Deutschland und Europa, über eine Besitzung auf dem Land, über ein paar verblasste Freundschaften und über das, was sie, Wilke und Reiter, General Entrescu vielleicht nicht, unter Liebe, Begehren, Sexualität verstanden.
Dann ergoss sich Wilke gegen die Wand, und auch er murmelte etwas, sein Soldatengebet, und wenig später ergoss sich Reiter gegen die Wand und biss sich auf die Lippen, stumm. Dann stand Entrescu auf, und sie sahen oder bildeten sich ein, dass an seinem von Samen und Scheidensekret glänzenden Penis Blutstropfen hingen, dann bat die Baroness von Zumpe um ein Glas Wodka, dann sahen sie Entrescu und Baroness von Zumpe stehend sich umarmen, beide wie abwesend ihr jeweiliges Wodkaglas in der Hand, dann sprach Entrescu ein Gedicht in seiner Sprache, das die Baroness nicht verstand, dessen Musikalität sie aber lobte, dann schloss Entrescu die Augen und tat, als lauschte er, lauschte der Sphärenmusik, schlug die Augen auf, setzte sich an den Tisch und zog die Baroness auf seinen wieder aufgerichteten Schwanz (den berühmten Dreißigzentimeterschwanz, Stolz des rumänischen Heeres), und erneut begann das Schreien und Stöhnen und Weinen, und während die Baroness auf Entrescus Schwanz hinabsank oder Entrescus Schwanz in der Baroness von Zumpe emporstieg, stimmte der rumänische General ein weiteres Gedicht an, ein Gedicht, das er mit dem Auf und Ab beider Arme begleitete
Weitere Kostenlose Bücher