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2666

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Titel: 2666 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roberto Bolaño
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er dankte es mit einer Miene jenseits oder diesseits von Literatur, einer Miene ehrbarer Kaufleute sozusagen, die im Besitz eines Geheimnisses sind, das vielleicht bis zu den Ursprüngen Europas zurückreichte, einer Miene, die eine Mythologie war oder die Tür zu einer Mythologie aufstieß, deren tragende Säulen der Buchhändler und der Verleger waren, nicht der von Launen umgetriebene oder unwägbaren Hirngespinsten ausgesetzte Schriftsteller, sondern der Buchhändler, der Verleger und ein langer gewundener Pfad, gemalt von einem Vertreter der Flämischen Schule.
    Darum ist es nicht allzu verwunderlich, dass Bubis von der Politik bald die Nase voll hatte und beschloss, seinen Verlag wiederaufleben zu lassen, denn das Abenteuer, Bücher zu drucken und zu verkaufen, war im Grunde das Einzige, was ihn wirklich interessierte.
    Damals, kurz bevor er wieder in das Gebäude einzog, das man ihm gerichtlich zurückerstattet hatte, machte Bubis in der amerikanischen Zone, in Mannheim, die Bekanntschaft einer jungen Flüchtlingsfrau, kaum älter als dreißig, aus gutem Hause und von auffallender Schönheit, und ohne dass man es sich recht erklären konnte, denn Jacob Bubis stand nicht im Ruf eines Don Juans, wurden sie ein Paar. Die Wandlung, die dieses Verhältnis bei ihm bewirkte, war bemerkenswert. Seine Energie, angesichts seines Alters schon erstaunlich genug, verdreifachte sich. Und seine Lebensfreude kannte keine Grenzen. Der Glaube an den Erfolg seines neuen Verlagsunternehmens (obwohl Bubis jeden korrigierte, der von einem »neuen Unternehmen« sprach, für ihn war es derselbe alte Verlag wie früher, der nach einer längeren Zwangspause wieder an die Oberfläche stieg) wirkte ansteckend.
    Auf der Eröffnungsfeier des Verlags, zu der alle wichtigen Persönlichkeiten, Künstler und Politiker Hamburgs erschienen, dazu eine Abordnung englischer Offiziere mit Liebe zum Roman (allerdings mehr zum Kriminalroman oder zur georgianischen Spielart des Pferderomans oder zum philatelistischen Roman) sowie Vertreter nicht nur der deutschen, sondern auch der französischen, englischen, holländischen, schweizerischen und sogar amerikanischen Presse, wurde seine Braut, wie er sie liebevoll nannte, der Öffentlichkeit vorgestellt, und die respektvollen Reaktionen hielten sich die Waage mit solchen der Verblüffung, die dieser Coup hervorrief, denn alle erwarteten eine vierzig- oder fünfzigjährige Frau, eher den intellektuellen Typ, einige rechneten mit einer Jüdin, wie es der Tradition in Bubis Familie entsprach, wieder andere vermuteten aufgrund früherer Erfahrungen, es handele sich um einen weiteren von Bubis' Scherzen, der für derartige Späße bekannt war. Aber im Verlauf der Feier stellte sich heraus, dass er es ernst meinte. Die Frau war keine Jüdin, sondern hundertprozentig arischer Abkunft, sie war auch nicht vierzig, sondern Anfang dreißig, sah zudem aus wie höchstens siebenundzwanzig, und zwei Monate nach Bubis' Scherz oder Späßchen wurde die Sache zur voll- endeten Tatsache durch eine stilvolle Hochzeit in Anwesenheit des Who's who der Stadt im alten, gerade in Renovierung befindlichen Rathaus, mit einer unvergesslichen standesamtlichen Zeremonie, die vom Bürgermeister persönlich geleitet wurde, der die Gelegenheit nutzte und auf dem lobrednerischen Höhepunkt Bubis als verlorenen Sohn und vorbildlichen Bürger Hamburgs bezeichnete.
    Als Archimboldi nach Hamburg kam, hatte der Verlag noch nicht die Höhe erreicht, die Jacob Bubis sich als zweites Ziel gesetzt hatte (das erste bestand in einer ausreichenden Papierversorgung und der Aufrechterhaltung eines Vertriebs für ganz Deutschland, die übrigen acht kannte nur Bubis), lief aber anständig rund, und sein Herr und Meister fühlte sich zufrieden und war müde.
    In Deutschland traten Schriftsteller auf den Plan, die Bubis interessant fand, nicht sehr, ehrlich gesagt, das heißt, nicht so interessant, nicht annähernd so interessant wie die deutschsprachigen Schriftsteller aus seiner ersten Zeit, denen er auf beispielhafte Weise die Treue hielt, aber einige von den neuen waren nicht schlecht, wenngleich nicht auszumachen war (zumindest war Bubis nicht imstande, das auszumachen, wie er selbst eingestand), dass sich unter ihnen ein neuer Döblin, ein neuer Musil, ein neuer Kafka fand (obwohl, wenn ein neuer Kafka auftauchte, sagte Herr Bubis lachend aus tieftraurigen Augen, würde ich es mit der Angst kriegen), ein neuer Thomas Mann. Das Gros des Programms

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