Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
2666

2666

Titel: 2666 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roberto Bolaño
Vom Netzwerk:
Rücken gestrichen hätte.
    »Die Portiers werden dem Taxifahrer eine Lektion erteilen, und der wird das Hotel für längere Zeit meiden«, sagte El Cerdo. »Es geht ums Trinkgeld.«
    Dann zückte El Cerdo sein elektronisches Notizbuch, und sie schrieben sich die Telefonnummer des Rektors der Universität von Santa Teresa in ihre Adressbücher.
    »Ich habe heute mit ihm gesprochen«, sagte El Cerdo, »und ihn gebeten, Ihnen zu helfen, wo er nur kann.«
    »Wer holt den Taxifahrer hier wieder raus?«, fragte Pelletier.
    »Er geht auf seinen eigenen Füßen«, sagte El Cerdo. »Sie werden ihm unten im Parkhaus eine Abreibung der Sonderklasse verpassen und ihn dann mit einem Eimer Kaltwasser wieder munter machen, damit er sich in seinen Wagen setzt und abhaut.«
    »Aber wenn zwischen Portiers und Taxifahrer Krieg herrscht, was machen Gäste, die ein Taxi brauchen?«, fragte Espinoza.
    »Ach, dann ruft das Hotel bei einer Funktaxi-Zentrale an. Die Funktaxis leben mit aller Welt in Frieden«, sagte El Cerdo.
    Als sie sich am Hoteleingang von ihm verabschiedeten, sahen sie den Taxifahrer humpelnd aus der Tiefgarage kommen. Sein Gesicht war unversehrt, und seine Kleidung schien völlig trocken.
    »Er hat sicher gehandelt«, sagte El Cerdo.
    »Gehandelt?«
    »Gehandelt, mit den Portiers. Geld«, sagte El Cerdo, »er muss ihnen Geld gegeben haben.«
    Einen Augenblick lang stellten Pelletier und Espinoza sich vor, wie El Cerdo in dem Taxi davonfuhr, das auf der anderen Straßenseite parkte und ein Bild absoluter Verlassenheit bot, aber mit einem Kopfnicken befahl El Cerdo einem der Portiers, seinen Wagen vorzufahren.
    Am nächsten Morgen flogen sie nach Hermosillo, riefen vom Flughafen aus den Rektor der Universität von Santa Teresa an, mieteten anschließend ein Auto und fuhren in Richtung Grenze. Beim Verlassen des Flughafens fiel den dreien die Helligkeit des Bundesstaates Sonora auf. So als würde das Licht im Pazifischen Ozean versinken und damit eine riesige Krümmung des Raums erzeugen. Man bekam einen Heißhunger, in diesem Licht unterwegs zu sein, obwohl, dachte Norton, auch eine vielleicht sogar noch unbezwingbarere Lust darauf, den Heißhunger bis zum Schluss auszuhalten.
    Sie erreichten Santa Teresa von Süden her, und die Stadt kam ihnen vor wie ein riesiges Zigeuner- oder Flüchtlingslager, deren Bewohner sich beim leisesten Signal in Bewegung setzen. Sie nahmen sich drei Zimmer im vierten Stock des Hotel México. Die Zimmer waren im Grunde identisch, aber doch voller kleiner Details, die sie unterschieden. In Espinozas Zimmer hing ein großformatiges Gemälde, auf dem man die Wüste sah und, im linken Teil, eine Gruppe von Männern zu Pferd in beigefarbenen Hemden, möglicherweise Angehörige des Militärs oder eines Reitervereins. In Nortons Zimmer gab es statt einem zwei Spiegel. Der eine hing wie in den anderen Zimmern neben der Tür, der andere an der gegenüberliegenden Wand neben dem Fenster zur Straße, so dass beide Spiegel, wenn man an einer bestimmten Stelle stand, einander reflektierten. In Pelletiers Zimmer fehlte eine Stück von der Kloschüssel. Auf den ersten Blick sah man es nicht, aber wenn man den Klodeckel hob, trat plötzlich die Lücke zutage, fast wie ein Gebell. Wieso zum Teufel hat das keiner repariert?, dachte Pelletier. Norton hatte noch nie eine Kloschüssel in so einem Zustand gesehen. Es fehlten rund zwanzig Zentimeter. Unter der weißen Glasur kam ein rotes Material zum Vorschein, das an Backstein-Gebäck mit Gipsüberzug erinnerte. Das fehlende Stück hatte die Form eines Hörnchens. Es sah aus, als hätte man es mit einem Hammer herausgeschlagen. Oder als hätte jemand einen anderen Menschen, der bereits am Boden lag, hochgehoben und mit dem Kopf gegen die Kloschüssel geknallt, dachte Norton.
    Der Rektor der Universität von Santa Teresa machte auf sie den Eindruck eines liebenswerten und schüchternen Mannes. Er war recht groß und von gesunder Gesichtsbräune, so als würde er täglich lange, nachdenkliche Spaziergänge in der freien Natur unternehmen. Er lud sie zu einer Tasse Kaffee ein und lauschte mit Geduld und mehr gespieltem als echtem Interesse ihren Erklärungen. Anschließend nahm er sie mit zu einem Rundgang durch die Universität, zeigte ihnen die Gebäude und welche Fakultäten dort beheimatet waren. Als Pelletier, um das Thema zu wechseln, das Licht von Sonora ansprach, erzählte der Rektor lang und breit von den Sonnenuntergängen in der Wüste und nannte die

Weitere Kostenlose Bücher