27 - Im Lande des Mahdi I
einen Zoll von der Stelle zu bringen, und rief dabei:
„Hinaus mußt du, hinaus! Wenn du nicht sofort gehorchst, zermalme ich dich!“
Er fügte daran eine Reihe jener kräftigen, schwer beleidigenden Schimpfworte, an denen die arabische Sprache so überaus reich ist. Das durfte ich nicht so hingehen lassen; ich war es allen Christen und Ausländern schuldig, ihm eine Lehre zu erteilen. Ich nahm ihn also rechts und links bei den Hüften, gab ihm zunächst einen Ruck, daß er mich fahren lassen mußte, hob ihn dann hoch empor, schüttelte ihn, daß ihm alle Glieder schlotterten, und warf ihn dann auf den Schutthaufen, auf welchem er vorhin bei meinem Eintritt gesessen hatte und wo er ganz bewegungslos, als ob er tot sei, liegenblieb. Als Selim das sah, kam er rasch herbei und rief in triumphierendem Ton:
„So ist es recht, Effendi! Das war die Tat eines Starken, die Abwehr gegen einen Schwächling, welcher kein Mark in den Knochen hat. Er mag es nur wagen, sich nochmals gegen dich zu erheben! Frage ihn, ob er es mit mir aufnehmen will!“
Ich achtete nicht auf den Großsprecher und trat zu dem Alten, um zu sehen, ob er vielleicht verletzt sei. Als ich ihm mit dem Fuß anstieß, öffnete er die Augen, setzte sich langsam auf und wimmerte:
„O Allah, Allah! Warum läßt du nicht den Himmel einfallen, wenn ein Christ sich an dem besten deiner Gläubigen vergreift? Meine Seele ist gelockert, und mein Körper zittert vor Grimm ob der Gewalttätigkeit, die mir widerfahren ist.“
„Deine Seele wird noch lockerer werden, so locker, daß sie aus dem Körper weicht, wenn du es wagst, noch ein Wort zu sprechen, welches mir nicht gefällt“, antwortete ich. „Ich wiederhole, daß ich wissen will, wie lange der Gaukler noch bei dir zu bleiben gedenkt. Heraus mit der Antwort, sonst hole ich sie mir!“
Der Mut hatte ihn vollständig verlassen. Er stöhnte:
„Gehe fort, gehe fort; ich bitte dich! Meine Glieder sind zerbrochen, und mein Blut steht in den Adern still. Ich mag nichts von dir wissen.“
„Ich werde gehen, aber erst dann, wenn du geantwortet hast. Du beherbergst einen Mörder, einen Menschen, welcher mir nach dem Leben trachtet. Als ich komme, dich darauf aufmerksam zu machen, willst du, anstatt mir zu danken, mich hinauswerfen. Du hast mich beschimpft und dich an mir vergriffen. Dadurch hast du den Beweis geliefert, daß du mit ihm einverstanden und also sein Mitschuldiger bist. Wenn ich dich anzeige, wirst du eingesteckt und bekommst die Bastonade zu kosten. Ich will aber gnädig gegen dich sein und dich schonen, wenn du mir Auskunft gibst.“
„Herr“, antwortete er, „wenn alle Christen so gewalttätig sind wie du, so wird das Reich des Islam untergehen. Der Gaukler wollte bis zu deiner Abreise bei mir bleiben.“
„Du weißt, daß er mir nach dem Leben trachtet?“
Er schwieg, was ich natürlich als Bejahung nehmen mußte. Darum fragte ich weiter:
„Er will mich, sobald ich hier abreise, verfolgen?“
„Ja.“
„Auf welchem Schiff?“
„Das ist noch unbestimmt. Er ist ein hervorragendes Mitglied der Kadirine, und ein jeder Raïs wird ihm zu Diensten sein.“
„Ich weiß genug. Wenn er zu dir zurückkehrt, so sage ihm, daß ich, falls er Siut nicht sofort verläßt, ihn anzeigen und gefangennehmen lassen werde! Gehorcht er dieser Aufforderung nicht, so ist es auch dein Schaden, da du mit in die Untersuchung verwickelt wirst. Ich teile dir offen mit, daß ich dich und dein Haus beobachten lassen werde. Denke daran, daß unsere Konsuls uns besser als eure Behörden euch zu beschützen verstehen! Allah stärke deinen schwachen Verstand und gebe dir die richtige Erkenntnis dessen, was zu deinem Heile dient!“
Ich wandte mich ab und ging. Selim folgte mir. Als wir auf der Gasse angekommen waren und nebeneinander her schritten, sagte er.
„Effendi, ich muß dir zwei Zeugnisse ausstellen, und zwar ein schlechtes und ein gutes, das schlechte, weil du den Gaukler entkommen ließest, und das gute, weil du dich leidlich tapfer gegen den Wirt benommen hast. Der Ruhm meiner Gegenwart hat dich ermutigt, ihn in den Staub zu werfen, und der niederschmetternde Blick meines Auges hielt ihn ab, Gegenwehr zu leisten. Laß diesen Mannesmut nicht sinken, sondern bewahre dir ihn, dann wirst du dir meine Zufriedenheit und vielleicht gar mein Lob erringen!“
„Richtig! Aber der kühnste der Helden wagte sich selbst nicht in das Haus, und als ich ihn holen ließ, blieb er unter der Tür stehen, um
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