27 - Im Lande des Mahdi I
Ton:
„Du wirst dich über den Grund wundern, welcher ihn zu dir führt.“
„Das glaube ich nicht.“
„O doch! Es ist eine Angelegenheit, in welcher du ihm deinen Beistand gewähren sollst.“
„Er soll mich nicht vergeblich bitten.“
„O wenn du wüßtest, was er von dir will, würdest du ihn wohl nicht empfangen, denn es ist nichts Leichtes, was er von dir fordert.“
„Der Mensch ist schwach; aber mit Gottes Hilfe gelingt ihm oft das Schwierigste. Wenn Allah will, werde ich den Bruder des Führers finden.“
„Allah! Allah! Was weißt du denn von diesem?“
„Daß er in Khartum verschwunden ist und trotz alles Nachsuchens nicht gefunden wurde. Nun kommt der Führer zu mir, um mich zu bitten, seinen Bruder zu suchen.“
Da riß der Stallmeister die Tür ganz auf, trat, um mich besser sehen zu können, vollends herein und rief, indem er die Hände verwundert zusammenschlug:
„Das weißt du schon? Effendi, du bist wirklich der weiseste der Weisen, und vor deinen Augen ist nichts verborgen. Ich beuge mich in Demut vor deinem Geist und werde deinem Befehl, dir den Führer zu senden, sofort nachkommen.“
Er machte mir wirklich eine Verbeugung, so tief, wie Selim sie zu machen pflegte, und entfernte sich dann. Er dachte nicht daran, daß er mit Ben Wasak gerade draußen unter meinem Fenster, und zwar so laut, daß ich die Worte hören mußte, gesprochen hatte, und ließ mir auch keine Zeit, ihn darüber aufzuklären. Bald hörte ich durch das offene Fenster seine Stimme:
„O Ben Wasak, du bist ein Gesegneter Allahs, welcher deine Schritte nach der rechten Stelle geleitet hat. Du hast diesen Effendi richtig beurteilt; er ist nicht nur weise, sondern seine Augen erblicken sogar das, was für andere dunkel und unergründlich ist.“
„Weil er einen schärferen Verstand hat als wir.“
„O nein; das ist es nicht. Er weiß Dinge, die er eigentlich gar nicht wissen kann. Er weiß, daß du zu ihm kommst, um ihn zu bitten, in Khartum nach seinem Bruder zu forschen.“
„So müßte er allwissend sein, und das ist außer Allah niemand.“
„Oh, von diesem Effendi könnte man glauben, daß er es sei: Er weiß alles, alles, alles. Er hat sogar den Geist des Lebens in einer Flasche und kann Tote lebendig machen. Komm herein; ich werde dich zu seiner Tür führen, hoffe aber, daß du ihn mit derjenigen Ehrfurcht behandelst, welche ein solcher Mann zu erwarten und zu verlangen hat!“
Ich hörte ihre Schritte verhallen, und dann meldete mir der Wirt den Ankömmling, um sich nach dem Eintritt desselben wieder zurückzuziehen. Ben Wasak kreuzte die Arme über der Brust, verbeugte sich tief, ließ seine Pantoffeln an der Tür stehen, näherte sich mir dann und grüßte:
„Dein Morgen sei gesegnet, wie der Aufgang der Sonne, Effendi!“
„Und der deinige, wie das Gras, wenn es den Tau der Nacht empfängt“, antwortete ich. „Setze dich an meine rechte Seite, denn du bist ein Gast, welchen ich gern willkommen heiße.“
„Oh, laß mich lieber dir gegenübersitzen! Ich bin zu gering, um zu deiner Rechten ruhen zu können, und möchte die ganze Freude deines Angesichtes vor mir haben.“
„Wie du willst. Du sollst ganz so tun, als ob das Zimmer dein Eigentum sei.“
Er setzte sich also mir gegenüber, und nun trat die Pause des Schweigens ein, welche bei jedem Bittbesuch geboten ist. Ein Diener brachte den Kaffe und die Pfeifen. Wir tranken den ersteren und rauchten die Tschibuks einmal leer. Dann, als sie wieder gestopft und in Brand gesteckt waren, war die Zeit des Sprechens gekommen. Ben Wasak begann:
„Effendi, dein Arm ist stark, und dein Verstand durchschaut das Verborgene. Darum vermagst du mehr als andere Menschen, und ich komme, um mein Herz zu erleichtern und dir den größten Wunsch meiner Seele vorzutragen.“
„Wenn ich dir dienen kann, soll es sehr gern geschehen, denn deine Freundlichkeit hat mir den gestrigen Tag erleuchtet.“
„Du kannst, wenn du nur willst, und ich werde es dir nach Kräften lohnen.“
„Sprich nicht von Lohn! Freunde müssen einander helfen, ohne nach Piastern zu fragen. Warum hast du mir deinen Wunsch nicht schon gestern vorgetragen?“
„Ich glaubte nicht, dich belästigen zu dürfen. Als du dann aber fort warst, glänzte die Erinnerung an dich in meiner Seele fort, und es kam mir der Gedanke, daß ich es vielleicht wagen dürfe, mit dir über den Kummer meines Herzens zu sprechen.“
„Meine Seele steht dir offen. Sprich so, als ob du dich bei
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