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27 - Im Lande des Mahdi I

27 - Im Lande des Mahdi I

Titel: 27 - Im Lande des Mahdi I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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fürchte; ich wollte ihm Angst einflößen und ihn so dazu bringen, Siut zu verlassen.
    Nun kroch ich durch die beiden Löcher in den Hof zurück. Dort stand am Ende des Hausganges der Besitzer mit Selim. Er schien zornig auf denselben einzureden, während dieser noch innerhalb des Hausganges stand, sich nicht in den Hof getraute und ängstliche Blicke nach der Richtung warf, in welcher, wie er wohl jetzt hörte, ich hinter dem Gaukler verschwunden war. Da sah er mich zurückkehren, und zwar heiler Haut; das gab ihm auf der Stelle Mut. Er verließ seine gedeckte Stellung, trat aus derselben nun auch in den Hof heraus und rief triumphierend:
    „Da ist er ja, mein Effendi! Ich wußte es, daß er meine Anweisungen befolgen würde. Nicht wahr, Effendi, du hast den Taschenspieler gesehen?“
    „Ja“, antwortete ich. „Glaubst du denn jetzt, daß er es ist?“
    „Natürlich! Soeben hat dieser Mann, mein früherer Wirt, mir mitgeteilt, daß er der Gaukler und kein Händler war. Er machte mir Vorwürfe, ihn gegen dich verraten zu haben. Aber diese Mitteilung hätte es ja gar nicht bedurft, denn du selbst bist Zeuge, daß ich gleich anfangs der Ansicht war, dieser ungenaue Freund sei kein ausgesprochener Freund, sondern ein bewiesener Gaukler. Ich bin der schlaueste Mann meines Stammes und habe Augen, welche durch Felsen und Berge dringen; ich lasse mich nicht betrügen und kann jedermann von sich selbst unterscheiden. Wo ist denn dieser Bösewicht, welcher dich ermorden will?“
    „Verschwunden.“
    „So ist er geflohen! Als er dich sah, ahnte er gleich, daß auch ich noch kommen werde; das brachte ihn so in Verzweiflung, daß er davonrannte. Warum hast du ihn entkommen lassen! O Effendi, ich muß dir Vorwürfe machen. Hätte ich das geahnt, so wäre ich hereingegangen und hätte dich an meiner Stelle draußen gelassen. Mir wäre er nicht entkommen. Mein Anblick hätte ihn niedergeschmettert.“
    Die beiden andern Alten hatten sich in eine Ecke zurückgezogen, um der Angelegenheit fernzubleiben. Der Wirt stand bei uns, hörte mit trotziger Miene die Auslassung meines Prahlhanses an und sagte dann:
    „Was hältst du da für eine Rede! Habe ich dich zu fragen, ob ich jemand bei mir aufnehmen darf?“
    „Das nicht“, antwortete ich an Selims Stelle; „aber es ist ein großer Unterschied, ob du einen ehrlichen Mann oder einen Mörder beherbergst. Der letztere Fall kann dir gefährlich werden.“
    „Behalte deine Worte für dich; ich habe dich nicht um deinen Rat gebeten. Du bist ohne meine Erlaubnis in meinen Hof gedrungen, und wenn du dich nicht augenblicklich entfernst, werde ich dich hinauswerfen. Christenhunde dulde ich nicht bei mir.“
    Ich hätte das in Anbetracht seines Alters ruhig hingenommen, aber sein Ton war so impertinent und sein Auftreten so frech, daß ich ihm doch nicht ganz eine Lehre vorenthalten wollte, schon auch um des Gauklers willen, welcher jedenfalls nicht hören sollte, daß ich vor seinem Genossen das Hasenpanier ergriffen habe. Darum antwortete ich:
    „Mit dir habe ich nichts zu schaffen. Wer einen Gast aufnimmt, muß auch diejenigen bei sich dulden, welche zu diesem Gast kommen. Und wenn du glaubst, mir Schimpfworte in das Antlitz werfen zu können, so hast du dich in mir geirrt. Ich suche den Gaukler bei dir, er ist fort, und also wirst du an seiner Stelle mir Rede und Antwort geben. Vor allen Dingen will ich wissen, wie lange er noch bei dir zu wohnen gedenkt.“
    „Das geht dich nichts an; er ist mein Gast, und du hast nichts dreinzureden. Mein Haus ist mein Zelt; vielleicht weißt du, was das zu bedeuten hat. Wenn du nicht sofort gehst, so werfe ich dich hinaus. Ich dulde den Schmutz und die Unreinheit eines Christen nicht bei mir. Ich gehöre zur heiligen Kadirine, und dein Anblick ist für mich derjenige eines verfaulenden Leichnams, wegen dessen man, um ihm nicht nahe zu kommen, einen Umweg macht. Packe dich sofort; hinaus mit dir!“
    Er ergriff mich mit beiden Händen bei der Brust, um mich der Tür zuzuschieben.
    „Laß los!“ gebot ich ihm. „Wenn dir ein Christ so widerwärtig ist, warum berührst du mich? Weg mit den Händen, sonst zeige ich dir, wie wenig ich deine heilige Kadirine fürchte!“
    Selim war, sobald ich von dem Gegner angefaßt wurde, zurückgewichen; er stand unter dem Eingang, zur Flucht bereit, und hatte ganz vergessen, daß er mein Beschützer sein wollte. Der Wirt beachtete meine Drohung nicht; er schob und schob; er zerrte, ohne mich aber nur um

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