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27 - Im Lande des Mahdi I

27 - Im Lande des Mahdi I

Titel: 27 - Im Lande des Mahdi I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Bruders?“
    „In einem sehr innigen. Du hast dem Kaufmann eine so sehr hohe Summe geborgt. Ich denke, daß er dir sehr dankbar sein mußte und daß ihr sehr innige Geschäftsfreunde gewesen seid.“
    „Natürlich!“
    „Er hat also jedenfalls deinen Bruder bei sich aufgenommen, und dieser hat bei ihm gewohnt?“
    „So ist es.“
    „Ist er plötzlich verschwunden oder abgereist?“
    „Abgereist, um in der Heimat nicht anzukommen.“
    „Mit welchem Schiff?“
    „Das weiß man nicht.“
    „Oder mit welcher Karawane, auf welchem Wüstenweg?“
    „Das ist eben auch unbekannt.“
    „Dieser Umstand kommt mir bedenklich vor. In den Städten des Abendlandes ist man nicht auf die Gastfreundschaft eines anderen angewiesen; man geht in ein Gasthaus und bezahlt alles, was man empfängt. Hier bei euch ist es anders. Man ist auf die Gastlichkeit seiner Nebenmenschen angewiesen, und je weiter man in wilde Länder dringt, desto größer wird die Bedeutung der Gastfreundschaft. Droben in Khartum hat der Wirt größere Verpflichtungen als unten in Kahira. Er wird seinen Gast, falls derselbe abreist, eine Strecke begleiten; diese Strecke wird desto länger sein, je inniger die Bekanntschaft zwischen beiden ist. Dieser Kaufmann Barjad el Amin hat dir so viel zu verdanken; du hast ihm so viel Geld geliehen, daß er mit Hilfe desselben in fünf Jahren so reich geworden ist, daß er es dir zurückgeben kann; dein Bruder kommt zu ihm, wohnt, ißt und trinkt bei ihm und soll nun plötzlich abgereist sein, ohne daß Barjad el Amin weiß, in welcher Weise die Abreise vor sich gegangen ist? Was sagst du dazu, mein lieber Ben Wasak?“
    Er sah mir betroffen, ja starr in das Gesicht und antwortete nicht.
    „Effendi, ich habe doch recht gehabt“, stieß er endlich hervor, „mit der Ansicht, daß ihr Franken viel klüger seid als wir.“
    „Ich habe keinen Grund, diese Meinung zu bestreiten.“
    „Nein, gar keinen Grund hast du dazu! Kaum hast du einige Fragen an mich getan, so bringst du Gedanken, die mir niemals beigekommen wären.“
    „Die aber jedenfalls nicht unbegründet sind!“
    „Sie haben allen Grund. Der Kaufmann hat meinen Bruder auf das festlichste empfangen, und die Gastfreundschaft gebot ihm, denselben feierlich zu entlassen und ihn eine Strecke zu begleiten. Daran habe ich noch gar nicht gedacht.“
    „Da Barjad von einer solchen Entlassung seines Gastes nichts zu sagen weiß, so darf er mir es nicht übelnehmen, daß in mir ein Verdacht gegen ihn aufsteigt. Entweder ist er der Schurke und weiß, wohin dein Bruder geraten ist, oder er hat die Pflichten der Gastfreundschaft mißachtet und trägt dadurch indirekt die Schuld an dem Unglück, welches jedenfalls geschehen ist.“
    „Allah, Allah! Wer hätte das gedacht! Effendi, deine Worte zermalmen mein Herz. Soll ich da mißtrauen, wo mein Vertrauen bisher ein so großes, unbedingtes war?“
    „Verbrechen oder Unterlassung, nehmen wir dieses oder jenes an, so bleibt es sich gleich; der Kaufmann trägt die Schuld. Ist der Mann, den du nachher nach Khartum sandtest, um nachzuforschen, so zuverlässig, wie es in diesem Fall zu wünschen war?“
    „Ja, er ist der zuverlässigste, den es nur geben kann, der heilige Fakir.“
    „Ah! Also derselbe, welcher dich veranlaßte, dem Kaufmann das Geld zu borgen?“
    „Derselbe!“
    „Hm! hm!“
    „Du brummst wieder. Das hat nichts Gutes zu bedeuten. Traust du diesem Mann vielleicht nicht?“
    „Was das betrifft, so höre ich, daß du ihm dein vollständiges Vertrauen geschenkt hast, und auch mir ist er als Mann vorgekommen, der eines Verbrechens nicht fähig ist. Aber wer so viel und tief in Allah lebt wie er, dem möchte ich eine so wichtige, irdische Angelegenheit nicht in die Hände legen. Wer so wie er im Gebet lebt, der besitzt schwerlich denjenigen Sinn, welcher unerläßlich ist, wenn es gilt, daß Verbrechen auf seinen viel verschlungenen und verborgenen Wegen zu verfolgen und aufzusuchen.“
    „Wen hätte ich an seiner Stelle senden sollen? Ich hatte keinen andern“, sagte er ziemlich kleinlaut.
    „Konntest du nicht selbst gehen?“
    „Das ist unmöglich, Herr. Meinen Kindern bin ich schuldig, diese Reise zu unterlassen.“
    „Du hältst sie für gefährlich? Du fürchtest dich?“
    „Nein; das ist es nicht. Das Geschäft hält mich zurück. Ich habe die hundertfünfzigtausend Piaster verloren und muß diesen Verlust wieder einbringen. Ich muß arbeiten und schaffen, muß für meine Kinder und nun auch

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