27 - Im Lande des Mahdi I
dieser fromme Mann Mumiengräber, ohne daß er es andern mitteilt.“
„Möglich. Er wandert überall umher, und es gibt im ganzen Tal des Nils noch Grabgewölbe und Grabhöhlen, welche noch kein Auge gesehen hat.“
„Ich hörte ihn einmal die Vermutung aussprechen, daß es in der Nähe von Siut bedeutende Königsgräber gebe.“
„Derjenige, der sie entdeckt hat, müßte das Geheimnis für sich behalten haben, sonst würde ich der erste sein, dem man davon gesagt hätte. Denkst du, daß der alte Fakir ein solches Geheimnis kennt?“
„Ich vermute es.“
„Möglich! Ich werde bei Gelegenheit einmal mit ihm sprechen.“
„Aber ohne zu verraten, daß ich dich aufmerksam gemacht habe!“
„Kein Wort verrate ich. Aber das darf ich ihm doch sagen, daß du nach meinem Bruder forschen wirst?“
„Nein. Hiervon darf er erst recht keine Silbe erfahren.“
„So mißtraust du ihm also doch!“
Er hatte recht; ich konnte mich eines eigenartigen Gefühls einer dunklen Ahnung nicht erwehren. Es war kein bestimmter Verdacht, sondern eine unbestimmte Empfindung. Dennoch antwortete ich:
„Ich hege kein Mißtrauen; aber dieser Mann kann mir gefährlich werden.“
„Gefährlich? So ein frommer Mann, den man einst einen Marabut (Wallfahrtsgrab) errichten wird!“
„Ja. Es mangelt ihm die irdische Klugheit. Du selbst sagst, daß er stets wandere, daß er bald hier und bald dort sei; da ist es leicht möglich, daß er eher als ich nach Khartum kommt, denn ich habe hier einen Gefährten zu erwarten. Wie nun, wenn er dort den Kaufmann aufsuchte und ihm sagte, daß ein Franke kommen werde, um nach dem Verbleib deines Bruders zu forschen? Besser ist es auf jeden Fall, daß er gar nichts weiß und so verlange ich allen Ernstes von dir, daß du verschwiegen gegen ihn bist. Wenn du mir das nicht versprichst, so bitte ich dich, mir mein Wort zurückzugeben, da ich mit der Sache dann nichts zu tun haben will.“
„Effendi, was fällt dir ein!“ rief er erschrocken. „Ich habe dich ja nicht beleidigen wollen. Ich will alles tun, was du mir gebietest, und alles unterlassen, was du mir verbietest. Ich habe auch bereits gesagt, daß ich dich mit allem Nötigen versehen will.“
„Das ist nicht viel, nämlich einen Brief an deinen Bruder, den ich ihm gebe, falls ich ihn finde. Du schreibst ihm, daß du mich beauftragt hast, ihn aufzusuchen, und kannst ihm auch sonst noch beliebige Mitteilungen machen, Unterschrift und Siegel sind natürlich nötig.“
„Das kann ich sofort tun, wenn du erlaubst. Ich habe meinen Siegelring anstecken, und das übrige wird hier leicht zu beschaffen sein.“
Ich klatschte in die Hände, und es kam ein Diener, welcher Papier, Tinte, Feder und Siegellack besorgte. Dann schrieb Ben Wasak den Brief und übergab ihn mir mit den Worten:
„Hier hast du das Verlangte, Effendi. Aber es ist noch etwas nötig, das sollst du noch erfahren. Ich habe vorher einen Gang zu machen. Treffe ich dich in einer Stunde wieder hier?“
„Ja; ich werde bis dahin nicht ausgehen.“
Er verabschiedete sich. Als er nach der angegebenen Zeit zurückkehrte, brachte er mir einen zweiten Brief, dessen Adresse nach Khartum lautete.
„Gib ihn ab, sobald du nach Khartum kommst“, sagte er, „vergiß es ja nicht! Der Mann, an den er gerichtet ist, kann dir sehr behilflich sein.“
„Wer und was ist er? Hier steht nur der Name.“
„Das genügt. Wenn du den Namen nennst, wird dich jedermann zu ihm weisen. Wann reist du von hier ab?“
„Sobald mein Gefährte angekommen ist.“
„Dann sehen wir uns vielleicht noch vorher wieder. Wenn du mir etwas zu sagen hast, so weißt du mich in Maabdah zu finden, und wenn ich dich zu sprechen habe, wirst du mir erlauben, hierher zu kommen. Auf alle Fälle erwarte ich, dich später bei mir zu sehen. Ob du meinen Bruder oder auch nur eine Spur von ihm findest oder nicht, du bist mir immerdar willkommen. Allah segne dich und leite dich auf den Pfaden des Glückes! Denke zuweilen meiner, und sei versichert, daß ich stets an dich denken werde, auch in meinem Gebet, obgleich wir verschiedenen Glaubens sind!“
Ich antwortete ihm in der gebräuchlichen Weise, und dann entfernte er sich. Also schon wieder etwas Neues und Abenteuerliches! Einen Verschollenen aufsuchen, nach welchem selbst der heilige Fakir vergebens geforscht hatte. Der Gedanke an diesen letzteren machte mir wirklich zu schaffen. Es widerstrebte mir, einen Verdacht gegen diesen ehrwürdigen Mann aufkommen zu
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