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27 - Im Lande des Mahdi I

27 - Im Lande des Mahdi I

Titel: 27 - Im Lande des Mahdi I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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ich Lust habe, noch andere in mein Geheimnis einzuweihen?“
    Diese Erklärung hätte unter den gegebenen Verhältnissen den vorsichtigen und mißtrauischen Menschen befriedigt. Auch ich fühlte mich beruhigt, und so stiegen wir nach der Spitze empor. Als wir fast oben angekommen waren, blieb der Alte stehen, blickte sich rundum und sagte:
    „So weit das Auge reicht, ist kein Mensch zu sehen. Wir werden also nicht beobachtet und können getrost öffnen.“
    Ja, es war kein Mensch zu sehen; wir waren allein, und das ließ den Rest meines Mißtrauens verschwinden. Was konnte uns dieser Mann tun, wenn er ja eine Heimtücke plante? Höchstens uns irgendwo einsperren. Und daß ihm das unmöglich wurde, dafür war sehr leicht zu sorgen. Man mußte ihn beim Eintreten stets vorangehen und beim Fortgehen hinterher folgen lassen. Es war mir also nicht im mindesten bange. Auch Selim schien bei guter Zuversicht zu sein, wenigstens hatte er bisher noch nichts getan oder gesagt, was auf Mutlosigkeit schließen ließ. Der Alte kauerte sich nieder und wühlte mit den Händen den Sand auf, den er rechts und links zur Seite warf. Dies geschah, da der Sand sehr klar und leicht war, ohne große Anstrengung. Es entstand auf diese Weise in der Seite der Hügelspitze ein waagrechtes Loch. Als dieses vielleicht drei Fuß tief war, kam eine Steinplatte zum Vorschein. Nun halfen wir beiden anderen mit, und bald war die Platte bloßgelegt. Sie hatte eine Höhe von über vier und eine Breite von über drei Fuß. Wir nahmen sie weg und sahen nun einen Gang vor uns, welcher aus dunklen Nilziegeln gemauert und so hoch und breit war, daß auch ein beleibter Mann bequem hineinkriechen konnte. Der Fakir musterte den Horizont noch einmal, und als weit und breit kein lebendiges Wesen zu sehen war, sagte er:
    „Wir sind wirklich völlig unbeobachtet und können nun hinein. Wer kriecht zuerst?“
    „Du natürlich, denn du bist der Führer“, antwortete ich.
    Er gehorchte dieser Aufforderung; ich folgte, und Selim kam langsam hinter mir her. Als ich vielleicht vier Ellen weit gekrochen war, fühlte ich, daß der Gang sich erweiterte. Der Fakir gebot, eine Fackel anzubrennen. Ich tat dies und sah dann bei dem Schein derselben, daß wir uns in einem kleinen Gemach befanden, welches Raum für wohl sechs bis sieben Personen hatte. Wir konnten aufrecht stehen. Die Wände bestanden aus den selben schwarzen Schlammsteinen, wie der Eingangsstollen. Die Luft war gut, und von Mumiengeruch gab es keine Spur. Dies schien Selim zu freuen, denn er meinte gut gelaunt:
    „Hier könnte man wohnen, Effendi. Hier ist die Luft ganz anders als in jener traurigen Höhle von Maabdah, welche sich an der Würde meiner Nase so versündigte, daß es der ganzen, vollen Kraft meines Charakters bedurfte, um alle Gänge zu durchforschen und bis zum letzten Augenblick auszuhalten.“
    „Es gefällt dir also hier?“
    „Außerordentlich! Es ist zwar nicht jedermanns Sache, in den dunklen Schlund der Erde zu dringen, aber was sonst keinem möglich ist, das leiste ich. Ich würde sogar, wenn man es verlangte, in die Tiefe der Hölle niedersteigen.“
    „Das wird niemand von dir fordern. Was ich verlange, ist nur die Kleinigkeit, daß du den Mut, den du jetzt besitzt, nicht etwa fallen läßt.“
    „Den Mut fallenlassen! Effendi, willst du denn immer und immer wieder den Glanz meines Ruhmes verdunkeln! Was ist denn das für ein Loch hier in dem Boden?“
    Es gab in der Ecke des Gemachs eine Öffnung, welche, wie es schien, senkrecht in die Tiefe führte. Sie war so weit, daß ein ausgewachsener Mann hineinsteigen konnte.
    „Das ist der Schacht, in welchen wir steigen müssen“, erklärte der Fakir.
    „Ein Schacht!“ brummte Selim, nun schon bedeutend kleinlauter. „Gibt es denn keine Treppe hier?“
    „Nein.“
    „Wo haben diese Mumien, als sie noch lebten, ihre Gedanken gehabt! Konnten sie uns nicht die Wohltat einer bequemen Treppe erweisen? Eine Leiter wenigstens wird es doch geben?“
    „Auch nicht.“
    „So soll ich wohl die Vorzüge meiner Glieder riskieren und mir die Arme und Beine verrenken oder gar zerbrechen?“
    „Das jedenfalls nicht“, antwortete ich. „Es wird wohl irgendeine Vorrichtung geben, mit deren Hilfe man hinabzusteigen vermag.“
    „Es gibt eine“, erklärte der Fakir. „Es sind zu beiden Seiten des Schachtes kleine, viereckige Löcher angebracht, in welche man die Füße setzt. Dies ergibt auch einen festen Anhalt für die Hände, und auf

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