27 - Im Lande des Mahdi I
erkennen, daß wir geäfft worden waren, und kehrten um.
„Allah ist allein allwissend!“ zürnte Ben Nil. „Ich kann nicht begreifen, wohin diese Schurken entkommen sind. Sie sind wie verschwunden.“
„Die Art und Weise ihres Verschwindens kann ich mir denken. Diese Höhen sind durch Höhlen zerklüftet. Jedenfalls haben sich die beiden in eine solche versteckt. War der Eingang zu derselben klein, so konnte er leicht durch Steine maskiert werden. Wir können nichts anderes tun, als in das Dorf gehen. Vielleicht haben wir uns geirrt, und es waren andere Männer als diejenigen, welche wir vermuteten.“
„Sie waren es, Effendi. Mein Auge täuscht mich nicht; aber ich sehe ein, daß das Suchen vergeblich sein würde. Es wird in kurzer Zeit Abend sein.“
Das war leider richtig. Eine Stunde vor Mittag hatte der Fakir uns abholen lassen; eine Stunde wenigstens hatten wir gebraucht, um an den Brunnen zu kommen; gegen drei Stunden waren wir in und bei demselben gewesen; dann die Rückkehr, das Essen, die Bootsfahrt nach Maabdah, das Suchen in der Schlucht – die Sonne ging drüben hinter den libyschen Höhen unter, und es mußte bald Nacht werden. Wir sahen uns gezwungen, unser Suchen aufzugeben und nach dem Dorf zu gehen.
Dort fanden wir jedmänniglich – auf der Erde sitzend und die Pfeife rauchend. Die Einwohner standen dabei und plauderten mit den Soldaten.
„Habt ihr gesucht?“ fragte ich den Haushofmeister.
„Nein“, antwortete er.
„Warum nicht?“
„Wir wollten deine Ankunft erwarten. Warum gingst du nicht mit uns?“
„Wissen die Leute von Maabdah, welche hier stehen, warum wir gekommen sind?“ fragte ich, ohne seine Frage zu beantworten.
„Ja. Ich habe es ihnen natürlich gesagt.“
„So wollen wir getrost wieder nach Siut fahren, denn unser Suchen würde nun, da du geplaudert hast, überflüssig sein.“
„Inschallah – wie es Gott gefällt. Du bist unser Gast, und wir tun, was dir gefällig ist.“
Ich fragte nach Ben Wasak, dem Höhlenführer, und erfuhr, daß er nicht hier, sondern hinunter nach el Arisch sei. In ihn allein hätte ich Vertrauen setzen können, und er hätte mir gewiß geholfen, die Flüchtigen zu entdecken. Da er aber nicht anwesend war, mußte ich auf einen Erfolg unserer Bootsfahrt verzichten. Ich erkundigte mich bei den Leuten, ob der Fakir oder der Gaukler gesehen worden sei, und erhielt nur verneinende Antworten. Schließlich ließ ich es doch geschehen, daß die Hütten durchsucht wurden; es war natürlich vergebens. Ob es in der Schlucht eine Höhle gebe, danach fragte ich lieber gar nicht; ich hätte doch keine Auskunft erhalten, und es war ganz so, wie ich gedacht hatte: Mir, dem Christen, war man ganz gewiß nicht behilflich, einen ‚wahren Gläubigen‘, welcher noch dazu ein heiliger Fakir war, auszuliefern. Ich mußte mich auf mein gutes Glück und auf die Zukunft verlassen; denn, daß ich diesem Menschen noch einmal begegnen würde, davon war ich überzeugt.
FÜNFTES KAPITEL
In der Wüste
Korosko! Ein berühmter, weit bekannter Name, und doch welch eine elende Ortschaft! Dieses nubische Dorf wird von Felsengebirgen umgeben, deren nackte Abhänge wie Blechblenden die heißen Sonnenstrahlen sammeln und niederwerfen. Kein Mensch würde hier wohnen; aber bei diesem Ort verläßt der Nil – aufwärts gerechnet – seine bisherige Richtung und windet sich in einem mächtigen Bogen durch die felsige Gegend, welche Batn el Adschar, Bauch der Steine, genannt wird. In diesem Bogen gibt es mehrere Stromschnellen und Katarakte, welche die Schiffbarkeit des Stroms, wenn nicht unterbrechen, so doch sehr hemmen. Die Fahrzeuge müssen ausgeladen, an Seilen durch die Stromengen gezogen und dann wieder beladen werden, was nicht nur große Mühe, sondern auch bedeutenden Zeitverlust verursacht. Darum pflegt man von Korosko aus den großen Bogen, anstatt ihn zu Wasser mitzumachen, zu Land abzuschneiden und so die Reise um ein Beträchtliches zu kürzen. Dieser Landweg ist ungefähr 400 Kilometer lang und führt durch die Atmur, wie die zwischen Korosko und Berber gelegene nubische Wüste genannt wird. Da der erstgenannte Ort der Ausgangspunkt dieser Wüstenreise ist, so hat man dort sein Gepäck zu ordnen, Kamele zu mieten, die letzten Einkäufe zu machen und vieles andere mehr. Dies gibt dem Ort einige Bedeutung, und dennoch besteht er nur aus höchstens fünfzehn elenden Hütten und einem Khan, in welchem man übernachten kann. Auch eine Moschee gibt es
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