27 - Im Lande des Mahdi I
dritten Tag des Abends. Wir saßen wieder beieinander, nämlich Murad Nassyr und ich, und ich hatte ihm einige Kapitel aus der biblischen Geschichte erzählt, wofür er sich zuweilen interessierte, da fragte er mich:
„Warum dürft ihr nicht mehrere Frauen nehmen?“
„Das ist sehr einfach. Weil Gott dem Adam nur eine gab.“
„Dürftest du eine Heidin oder eine Mohammedanerin heiraten?“
„Nein.“
„O Allah! Was ist den Christen nicht alles verboten! Wir fragen unsere Frauen nicht, was sie glauben, denn das Weib hat keine Seele. Wenn du nun eine Mohammedanerin liebtest? Würdest du auch diese nicht nehmen?“
„Vielleicht, ja; aber sie müßte Christin werden.“
„Das würde ihr nicht einfallen, sondern sie würde von dir verlangen, Moslem zu werden.“
„Das würde nun wieder mir nicht einfallen.“
„Wenn sie nun sehr schön wäre?“
„Auch dann nicht.“
„Und dazu sehr reich?“
„Nein.“
„Aber du bist doch arm!“
„Du irrst. In meinem Glauben bin ich reich. Ich tausche mit keinem Menschen.“
Er sah einige Zeit vor sich nieder, betrachtete dann mich eine Weile und fuhr nachher fort:
„Ich habe dir schon früher gesagt, daß ich dich gesehen habe und von dir sprechen hörte. Du bist ein Mann für mich, und ich wünsche, dich an mich zu fesseln. Erlaube, daß ich dir etwas zeige!“
Er zog ein Portefeuille aus der Tasche, öffnete es und hielt mir es dann hin. Ich sah ein ganzes Paket hoher Noten der englischen Bank.
„Weißt du, welchen Wert diese Scheine haben?“
„Es ist ein Vermögen.“
„Und trotzdem ist das nur ein kleiner Teil dessen, was ich besitze. Und nun will ich dir noch etwas zeigen. Aber von dem, was du jetzt zu sehen bekommst, sollst du ja nicht sprechen. Komm!“
Ich sah, daß die Entscheidung gekommen sei. Er wollte mich für sich gewinnen, wozu und zu welchem Zweck, daß mußte ich abwarten. Wir verließen sein Gemach, in welchem wir uns befanden, traten in den Hof hinaus und gingen zu der Tür, welche in die Räume führte, die von seiner Schwester und deren Dienerinnen bewohnt wurden. Er klopfte an; eine Schwarze öffnete. Er sagte ihr einige leise Worte, und wir wurden eingelassen. Er führte mich zu einer inneren Tür, zeigte auf dieselbe und sagte:
„Tritt ein! Ich werde dich hier erwarten.“
Unter Tür darf man hier nicht das verstehen, was wir uns unter diesem Wort denken, sondern dicke Palmenmatten, welche beliebig fortgeschoben oder auch ganz weggenommen werden können. Ich schob die Matte zur Seite und trat ein. Was ich sah, daß mußte mich in ein nicht geringes Staunen versetzen. Auf einigen übereinander gelegten Teppichen lag ein junges Mädchen von vielleicht siebzehn Jahren. Den linken Arm, in dessen Hand der Kopf ruhte, hatte sie auf ein Kissen gestemmt. Sie trug weite und bis an die Knöchel reichende Frauenhosen; die nackten Füße steckten in Samtpantoffeln; den Oberleib verhüllte eine Art Jäckchen, welches von roter Farbe und reich mit Gold bestickt war, und darüber fiel vom Hals bis auf die Füße ein schleierartiges Oberkleid. Das Haar, in welchem Perlen und goldene Münzen funkelten, war in lange Zöpfe geflochten. An allen Fingern glänzten Ringe. Die Wimpern und Brauen waren mit Khol gefärbt und die Fingernägel mit Henna gerötet.
Das Gesicht – ah, dieses Gesicht! Wenn von einer orientalischen Schönheit gesprochen wird, so stellt man sich, um mit dem Dichter zu sprechen, ein ‚mächtig-, mächtig-prächtiges‘ Wesen vor, mit den Zügen einer Kleopatra, Emineh oder Schefaka. Und hier –? Auf den Jahrmärkten meiner Vaterstadt hielt gewöhnlich ein Mädchen aus dem erzgebirgischen Beierfeld Reibeisen und blecherne Löffel feil, welches ein ganz eigenartiges Gesichtchen hatte, so klein und zusammengedrückt, eine zwei Finger schmale Stirn, ein Näschen wie eine trockene Zwetsche, nur nicht schwarz, kleine, schmale Lippen, Öhrchen wie ein Mäuschen und Äuglein so klein und so lustig und listig wie – na wie eben auch ein Mäuschen. Ich hatte dieses Gesichtchen nie vergessen können. Und nun lag es da vor mir, dieses Beierfelder Mäuschen, aber in orientalischem Gewand. Es blickte mich aus dem unverschleierten Gesicht halb verschämt, halb erwartungsvoll an und sagte kein Wort.
Aufrichtig gestanden, ich war ein wenig das, was man perplex zu nennen pflegt. So eine Überraschung hatte ich nicht erwartet, und daher kam es, daß ich mich zu der nicht eben geistreichen Frage gedrängt fühlte:
„Wer bis
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