27 - Im Lande des Mahdi I
berühmteste Held seines Stammes.“
„Das darfst du nicht behaupten, da du ihn nicht kennst. Es ist leicht möglich, daß seine Berühmtheit eine größere und begründetere als die deinige ist. Du sprichst so viel von deinem Stamm, aber du hast mir noch nicht gesagt, welcher es ist.“
„Noch nicht? So höre und staune! Ich bin ein Sohn desjenigen Stammes, welcher der erlauchteste aller Stämme der Erde ist. Ich meine den Stamm der Beni Fessarah.“
„Droben in Kordofan?“
„Ja, von dorther stamme ich.“
„Warum hast du deinen Stamm verlassen?“
„Weil er keine Kriege mehr führte. Ein Held, wie ich bin, will kämpfen und Blut sehen. Da es das nicht gab, bin ich fortgegangen.“
„Wo hast du den gekämpft?“
„Allüberall. Ich bin in allen Ländern des Erdballs umhergezogen und habe mit allen wilden Tieren und Menschen gekämpft. Nun mag dieser Ben Nil sagen, zu welchem Stamm er gehört.“
„Ich bin ein Uled-Ali-Beduine“, antwortete der Genannte.
„Und mit wem hast du gekämpft?“
„Mit noch niemand.“
„So bist du ein Windhauch gegen mich und kannst vor mir im Staub knien. Ich will aber großmütig sein und einen Helden aus dir machen!“
„Und ich“, flocht ich lachend ein, „will ihm die Waffen dazu geben. Kommt mit herein.“
Wir kamen gerade durch den Waffenbazar, und ich trat mit ihnen in einen Laden, wo ich für Ben Nil ein Messer, zwei Pistolen und eine Flinte kaufte, die ich ihm schenkte. Er floß über vor Dankbarkeit, hing die Flinte um, steckte die Pistolen und das Messer in den Ledergürtel und schritt dann stolz wie ein König neben Selim her. Ich wollte ihm auch noch einen Anzug – freilich einen billigen – kaufen, doch das hatte Zeit bis morgen, wo ich mir auch einen aussuchen mußte, da der meinige gelitten hatte. Besonders das Klettern im Brunnen war ihm schlecht bekommen.
Im Palast angekommen, ging Selim zu dem Haushofmeister, ich führte Ben Nil zu meinem Stallmeister und bat um Gastfreundschaft für ihn. Als ich mit kurzen Worten das Geschehene berichtet hatte, wurde auf das schnellste eine solche Menge von Speisen gebracht, daß mehr als zwanzig Personen sich hätten satt essen können. Ben Nil leistete nach fünftägigem Hungern das Menschenmögliche, und auch ich war bei tüchtigem Appetit. Während wir aßen, ließ der Stallmeister einen Boten an das Wasser gehen, um das Boot instand zu setzen. Bald kam Selim und brachte den dicken Haushofmeister mit. Das erste Wort dieses letzteren an mich war:
„Effendi, siehst du nun endlich ein, was eine Mondfinsternis zu bedeuten hat? Ich befand mich schon am nächsten Tag in Gefahr, und auch euch ist es nun an das Leben gegangen.“
„Du vergißt, daß deine Gefahr uns großen Nutzen gebracht hat“, entgegnete ich, „denn wärest du nicht eingebrochen, so steckten wir noch im Brunnen.“
„Das ist möglich; aber die Übeltäter müssen bestraft werden!“
„Allerdings.“
„Ich hörte von Selim, daß du nach Maabdah willst, um den Fakir zu fangen. Darum habe ich sogleich den Befehl gegeben, ein Boot mit Soldaten zu bemannen. Ich selbst werde mitfahren, um diesen Mörder zu fangen.“
Mir schwante nicht Gutes; darum bat ich ihn:
„Nimm diesen Befehl wieder zurück! Warum willst du dich mit einer Angelegenheit befassen, welcher du doch eigentlich so fern stehst?“
„Warum? Weil ich ihr nicht fern stehe. Du bist doch unser Gast, und wir haben dich lieb und sind verpflichtet, für deine Sicherheit zu sorgen. Außerdem geht diese Sache den Pascha an. Er ist nicht da, und ich als sein Haushofmeister will seine Stelle vertreten.“
„Ich möchte dir nicht Mühe bereiten.“
„Das ist keine Mühe, sondern ein Vergnügen. Als du die Höhle besuchtest, bin ich nicht mitgegangen; jetzt aber, wo es gilt, einen Verbrecher zu fangen, kann ich euch unmöglich allein fahren lassen.“
„Erlaube mir, dir zu sagen, daß ich viel lieber allein fahren würde!“
„Rede mir nicht darein! Es ist meine Pflicht, dir zu helfen, und ich werde also diese Pflicht erfüllen.“
Damit war die Sache abgemacht, und wir brachen auf. Der Stallmeister ging auch mit, ebenso Selim, welcher wieder von seiner Verwegenheit sprach und sich vermaß, den Fakir ganz allein zu fangen.
Am Wasser lagen zwei Boote bereit, eins, welches der Stallmeister, und eins, welches der Haushofmeister beordert hatte. Das erstere bestieg ich mit meinem Gastfreund und Ben Nil; es wurde von Stallknechten gerudert. In das andere stieg der
Weitere Kostenlose Bücher