27 - Im Lande des Mahdi I
Überfall der Negerdörfer so fern vom Kampf hält, daß er weder verwundet noch gar getötet werden kann. Zwischen euch beide habe ich zu treten. Ich soll die Sklaven von den Seriben abholen und dir zuführen. Das geht durch wilde oder gar feindliche Gebiete, und außerdem habe ich mich der Soldaten der Regierung zu erwehren, welche förmlich Jagd auf mich machen werden.“
„Das ist alles wahr, aber gerade darum ist meine Wahl auf dich gefallen. Du bist der Mann, welcher für solche Gefahren wie geschaffen ist.“
„Es freut mich, daß du mich für einen mutigen Mann hältst; aber es freut mich ganz und gar nicht, daß du mich zugleich für fähig halst, meinen Mut auf einem solchen Feld in Anwendung zu bringen. Die Sklaverei ist eine Schande für die gegenwärtige Menschheit, und die Sklavenjagd ist ein Verbrechen, welches zum Himmel schreit. Ich würde selbst eine kleine Sünde wissentlich nicht um vieles Geld begehen, um wieviel weniger werde ich diese Schande und solche Bluttaten auf mein Gewissen laden. Wie du einem Christen, und zudem mir, einen solchen Antrag stellen konntest, das ist mir unbegreiflich.“
Er war vollständig enttäuscht; das sah man seinem Gesicht an, als er jetzt fragte:
„Ist das wirklich die Antwort, welche du mir geben willst?“
„So ist es.“
„Bedenke den Gewinn!“
„Ein ruhiges Gewissen ist mir lieber.“
„Und meine Schwester!“
„Gib sie, wem du willst.“
„Verachtest du sie etwa?“
„Nein. Du hast sie mir angeboten und dabei gegen eure Gebote und heiligsten Gebräuche gehandelt; das könnte mich stolz machen; aber ich kann mir dieses Vorbild der Schönheit und Muster der Lieblichkeit leider nicht verdienen. Ich will dich nicht beleidigen. Du wirst mir verzeihen, daß ich nach den Geboten meiner Religion handle. Gehen wir in Frieden auseinander!“
Ich stand bei diesen letzten Worten auf. Auch Murad Nassyr erhob sich, warf den Tschibuk zornig fort und fragte:
„In Frieden? Wie wäre das möglich! Wenn wir jetzt scheiden, so sind wir Feinde, grimmige Feinde für das ganze Leben.“
„Ich kann die Notwendigkeit dazu nicht ersehen.“
„Sie liegt klar zu Tage. Du hast mir erzählt, was in den letzten Tagen geschehen ist. Du bist ein Freund des Raïs Effendina und willst ihn in Khartum aufsuchen. Du willst ferner den Sklavenhändler Ibn Asl finden und –“
„Ah, so gibst du also zu, daß er derjenige ist, mit welchem du in Verbindung stehst!“
„Nichts gebe ich zu; gar nichts erfährst du von mir! Ich wollte nur beweisen, daß du nicht der Freund meiner Feinde sein kannst, ohne auch mein Feind zu sein. Du weißt nun zu viel von mir; scheiden wir, so bist du mir gefährlicher als alle andern. Darum überlege es dir noch einmal, ob du bei deinem Entschluß bleiben willst!“
„Es bedarf keiner Überlegung.“
„Du wirst diesen Entschluß nicht ändern?“
„Nein.“
„Wohlan, so sind wir geschieden und ich bedaure, daß ich dich mit Wohltaten überschüttet habe.“
Sein Gesicht hatte einen ganz andern Ausdruck bekommen. Die biedere, ehrliche Aufrichtigkeit war verschwunden; sie hatte der Miene drohenden Hasses Platz gemacht. In seinen blitzenden Augen stand deutlich zu lesen, daß er von jetzt an mein unerbittlicher Feind sein werde.
„Mit Wohltaten überschüttet?“ fragte ich ruhig. „Ich aß und schlief bei dir, weil du mich so dringend einludest, daß es eine Unhöflichkeit gewesen wäre, es abzuschlagen. Nennst du das Wohltat?“
„Ich bezahlte die Passage und gab dir außerdem noch Geld!“
Jetzt zeigte er sich als der gemeine Charakter, wie er zum Sklavenhändler geeignet ist. Ein anderer hätte ihm geantwortet, ihm die Wahrheit gesagt; ich tat dies nicht; ich zog meinen Beutel, zählte den Betrag ab, welchen er ausgegeben hatte, warf denselben auf den Teppich und ging. Als ich mich unter der Türöffnung befand, rief er:
„Halt noch einmal! Willst du wirklich nicht nach –“
Ich ging weiter, ohne auf seine Worte zu achten. Da brüllte er mir nach:
„So packe dich, du Hund, und nimm dich nun vor mir in acht!“
Von Schlaf war jetzt bei mir keine Rede; ich mußte zunächst meine innere Erregung zur Ruhe bringen. Darum verließ ich den Khan, ging an dem Wächter desselben vorüber und wandte mich durch den Ort der Wüste zu. Wie unverzeihlich unvorsichtig war ich gewesen, als ich mich in Kairo von diesem Murad Nassyr überreden ließ, bei ihm zu bleiben! Jetzt hatte ich ihm sein Geld zurückgegeben und stand nun
Weitere Kostenlose Bücher