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27 - Im Lande des Mahdi I

27 - Im Lande des Mahdi I

Titel: 27 - Im Lande des Mahdi I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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entwickelte trotz seiner Jugend Ansichten, welche mancher Alte nicht besaß. Sein Scharfsinn war bewundernswert, und die Energie, welche er bisher freilich nur in gewöhnlichen Dingen hatte zeigen können, ließ mit Recht darauf schließen, daß er dann, wo es gelte, auch den gehörigen Mut zeigen werde.
    Wenn die beiden Leute aneinandergerieten, so gab es stets eine heitere Szene. Das brachte Abwechslung in die oft unangenehme Eintönigkeit, und darum war ich gerne bereit, Selim bei mir zu behalten. Was er mich kostete, nun das mußte eben aufgebracht werden.
    Jetzt sah ich den Lieutenant aus der Hütte des Schechs treten. Dieser kam auch heraus und rannte, ganz seiner dorfoberhäuptlichen Würde entgegen, dem Fluß zu. Der erstere kam herbei, zog seinen Tschibuk aus der Kameltasche, stopfte ihn und setzte sich dann zu mir nieder. Ich gab ihm Feuer.
    „Du reitest ein sehr vortreffliches Kamel“, sagte ich ihm. „Es muß eine Wonne sein, auf seinem Rücken durch die Wüste zu fliegen.“
    „Du wirst diese Wonne kennenlernen“, antwortete er, „denn du sollst es reiten. Der Emir hat es für dich geliehen.“
    „Wirklich? Wie kommt er auf den Gedanken, mir ein Kamel zu senden?“
    „Er sendet dir nicht nur das Kamel, sondern nebenbei eine Bitte, welche ich dir vortragen soll. Bist du bereit, sie zu hören?“
    „Ja.“
    „Du bist schon oft in der Wüste gewesen und verstehst es, alle Spuren der Menschen und der Tiere zu lesen. Darum läßt er dich fragen, ob du –“
    Er hielt mitten in der Rede inne, und zwar warum?
    In der Nähe der schon beschriebenen Lagerschuppen war eine Anzahl von Beduinen erschienen, welche Kamele bei sich hatten. Sie stammten jedenfalls aus der Umgegend und wollten versuchen, sich und ihre Tiere für die Tour durch die Wüste zu vermieten. Murad Nassyr hatte sie vom Hof aus erblickt und kam heraus, um mit ihnen zureden. Da wir neben dem Tor hart an der Mauer saßen, sah er uns nicht, ging an uns vorüber und winkte den Leuten, herbeizukommen. Sobald der Blick des Lieutenants auf ihn fiel, schwieg dieser und betrachtete ihn mit einem finster forschenden Blick.
    Jetzt drehte sich der dicke Türke um und sah uns. Kein Anzeichen verriet, daß er den Lieutenant kenne. Dieser stand auf, stellte sich in die Mitte des Einganges, um Nassyr zum Stehen zu zwingen, und sagte:
    „Mir scheint, es steht mir eine große Überraschung bevor. Haben wir uns nicht schon einmal gesehen?“
    „Ich dich? Niemals“, antwortete der Türke stolz, indem er einen wegwerfenden Blick auf den Lieutenant warf. Man sah es ihm an, daß er nicht log, sondern die Wahrheit sagte.
    „Möglich, daß du mich nicht bemerkt hast, aber ich habe dich gesehen.“
    „Das ist mir gleichgültig. Mich haben viele Leute gesehen. Was habe ich mit dir zu schaffen? Laß mich vorüber!“
    „Warte noch ein Weilchen! Ich habe mit dir zu reden, denn ich möchte gerne deinen Namen erfahren.“
    „Frage andere! Ich habe dir nicht zu antworten!“
    „Irre dich nicht! Weißt du vielleicht, was ein Raïs Effendina ist?“
    Über das Gesicht des Türken ging ein plötzliches Zucken; der Blick, welchen er jetzt auf den Sprecher, der die gewöhnliche Kleidung eines Nubiers trug, warf, war ein ganz anderer als vorher.
    „Das weiß ich gar wohl; das weiß ja ein jeder“, antwortete er bedeutend höflicher als vorher.
    „So wirst du wohl auch wissen, daß der Raïs Effendina mit gewissen Vollmachten ausgerüstet ist, welche ihm oft mehr Macht erteilen, als mancher Mudir besitzt.“
    „Auch das weiß ich.“
    „Ich bin der Lieutenant des Emirs und interessiere mich sehr lebhaft für dein Gesicht. Nun wirst du mir wohl Rede stehen?“
    „Beweise mir vorher, daß du wirklich derjenige bist, für den du dich ausgibst!“
    „Verlangst du das wirklich? Da magst du mit zum Schech el Beled kommen; aber dann wird unsere Unterredung eine amtliche sein, während ich hier höflich mit dir gesprochen hätte.“
    „Nun, ich bin ebenso wie du ein Freund der Höflichkeit. Frage also!“
    Der Türke schien also doch Grund zu haben, eine amtliche Vernehmung zu scheuen. Der Lieutenant meinte lächelnd:
    „Ich wiederhole meine Frage nach deinem Namen.“
    „Ich heiße Murad Nassyr.“
    „Woher?“
    „Aus Nif bei Izmir.“
    „Was bist du?“
    „Bazirgijan.“
    „Kauf- und Handelsherr! Womit handelst du?“
    „Mit allem möglichen. Jetzt will ich nach Khartum, um Senna, Gummi und Elfenbein einzukaufen.“
    „Hast du nicht auch schon andere Ware

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