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27 - Im Lande des Mahdi I

27 - Im Lande des Mahdi I

Titel: 27 - Im Lande des Mahdi I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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hier im fernen Nubien, ohne die ausreichenden Mittel zur Heimkehr zu besitzen! Doch das machte mir nicht bang; mich erregte nur die Enttäuschung, welche ich erfahren hatte. Für einen solchen Menschen hatte ich Murad Nassyr denn doch nicht gehalten.
    Wohl über eine Stunde war ich gegangen, als ich von fern her ganz eigentümliche, seltsame Töne vernahm. Es war, als ob der Wind durch eine Äolsharfe strich. Das Gekling kam näher und wurde deutlicher. Ich unterschied weibliche Stimmen und den Klang von Saiten. Nun erschien ein Kamelreiter, dessen Lanzenspitze im Strahl des Vollmondes funkelte. Als er mich erblickte, bog er weit aus. Ihm folgten zwölf Kamele, welche Tachterwahns (Sänften) trugen, aus denen die singenden, plaudernden und lachenden Stimmen erschallten. Hinterher kamen mehrere bewaffnete Männer. Wie Schatten flogen die hochbeinigen Kamele an mir vorüber. Man hätte an Freiligraths ‚Geisterkarawane‘ denken können.
    Das war ein Transport junger Sklavinnen, welche heimlich nach Ägypten gebracht wurden. Man zwingt die Armen, unterwegs zu lachen, zu singen, zu scherzen, damit sie sich nicht vergrämen und infolgedessen ihren Wert verlieren. Der Zug kam wohl von Abu Hammed her, hütete sich aber, in Korosko zu halten und sich dort sehen zu lassen.
    Ich kehrte um und legte mich, im Chan angekommen, zur Ruhe. Zu einem richtigen Schlaf aber brachte ich es nicht. Nicht daß der Verlust von Nassyrs Freundschaft oder gar die Angst vor ihm mich beunruhigt hätte, o nein; ich hatte an anderes zu denken.
    Vor allen Dingen beschäftigte mich sein wahrscheinliches Verhältnis zu Ibn Asl, dem Sklavenjäger. Ich wollte den Aufenthalt dieses Mannes kennenlernen; um denselben zu erfahren, brauchte ich nur Murad Nassyr im Auge zu behalten. Hatte ich mich mit diesem Türken entzweit, so wollte ich nun um so nachdrücklicher für den Führer in Maabdah tätig sein, um womöglich dessen verschollenen Bruder aufzufinden.
    Ich stand zeitig auf, setzte mich vor die Tür des Khans und ließ mir von dem Khandschi Kaffee bringen. Indem ich über das erwachte Tierleben meine Betrachtungen anstellte, sah ich einen Reiter kommen. Er war noch so fern, daß man ihn kaum erkennen konnte, mußte aber ein ausgezeichnetes Tier reiten, denn er kam so rasch näher, daß er scheinbar aus der Erde wuchs. Als er nahe genug gekommen war, erkannte ich ihn. Es war zu meinem Erstaunen der Schiffslieutenant des Raïs Effendina. Ich stand natürlich auf, um ihn zu bewillkommnen. Er sah mich, lenkte sein Tier auf mich zu, ließ es knien und sprang aus dem Sattel.
    „Wie kommst du nach Korosko?“ fragte ich ihn. „Ich mußte den Emir doch in Khartum glauben.“
    „Er war auch dort. Wo er sich jetzt befindet, werde ich dir sagen, wenn ich mit dem Schech el Beled (Dorfvorsteher) gesprochen habe, den ich jetzt gleich aufsuchen muß.“
    „Er ist auch schon wach. Ich sah in vorhin vor seiner Hütte knien, um das Morgengebet zu beten.“
    Ich zeigte ihm die Hütte, und er schritt derselben zu, um dem Schech seinen Auftrag auszurichten. Sein Kamel kniete in meiner Nähe. Es war ein herrliches, sehr teures Tier von mausgrauer Farbe, an welcher man die echten Reitkamele erkennt. Wie kam der Lieutenant zu einem solchen Eilkamel? Es gibt Tiere dieser Rasse, welche an einem Tag und ohne einmal anzuhalten über hundert Kilometer zurücklegen. Es war auch sehr wohl erzogen, denn als ich es streichelte, sah es mich mit den großen Augen zutraulich an und verfiel nicht in die gewöhnliche Unart der Kamele, welche Fremde beißen, treten oder auch wohl gar anspeien. Noch war ich mit dem Tier beschäftigt, da trat Selim aus dem Tor. Er schien mich gesucht zu haben, denn er kam, als er mich erblickte, auf mich zu und sagte:
    „Effendi, ich habe sehr, sehr Schlimmes vernommen und möchte infolgedessen eine große Bitte an dich richten, welche du mir vielleicht genehmigen wirst.“
    „Was ist's?“
    „Du hast dich mit Murad Nassyr verfeindet?“
    „Wer sagte es dir?“
    „Er selbst und verbot mir streng, mit dir zu reden.“
    „Und da kommst du als sein treuer Haushofmeister sofort zu mir, um sein Gebot zu übertreten?“
    „Ja, das tue ich, denn du weißt, daß ich dich viel lieber habe als ihn.“
    „Natürlich“, antwortete ich, obgleich mich seine Dummheiten sehr oft geärgert hatten. „Welche Bitte willst du mir denn zu hören geben?“
    „Ich mag nicht länger bei Murad Nassyr bleiben.“
    „Ah! Warum? Hast du es nicht gut bei ihm? Bist du

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