27 - Im Lande des Mahdi I
gehen beabsichtigt. Es hatte den Anschein, als ob er von Korosko nach Korti wolle, um von dort aus durch die Bajuda-Wüste direkt nach Khartum zu gehen.“
„Woraus schließt du das? Hat er vielleicht ein unbedachtes Wort darüber fallen lassen? Warst du bei seiner Abreise zugegen?“
„Nein ich ritt eher fort als er, aber er kam mir bald nach. Es war mir das unerklärlich. Er saß mit dem Lieutenant des Raïs Effendina vor dem Tor des Khans und –“
„Mit wem?“ unterbrach ihn der Fakir. „Der Raïs Effendina hat seinen Lieutenant nach Korosko geschickt?“
„Ja. Der Lieutenant nahm mich vor und behauptete, mich zu kennen. Er hatte recht, doch leugnete ich. Meines Bleibens konnte keinen Augenblick länger sein, und so mietete ich die ersten besten Kamele und machte mich aus dem Staub. Bald darauf kam der Giaur mit dem Lieutenant nach. Sie ritten Prachtkamele und hatten Selim und Ben Nil bei sich.“
„Ben Nil? Allah! Ich kannte einen dieses Namens, der ist aber tot.“
„Ein Matrose aus Gubator?“
„Ja. Wie kommst du dazu, diesen Ort zu nennen?“
„Weil ich von demjenigen spreche, den du für tot hälst. Du hast ihn, wie er mir selbst erzählte, in den Brunnen gelockt; aber dieser deutsche Ungläubige hat ihn befreit und mit sich genommen.“
„Das – ist – nicht möglich!“ hörte ich den Fakir beinahe lallend sagen.
„Es ist ganz genau so, wie ich es dir erzähle. Ben Nil ist der Diener des Giaur geworden.“
„Allah kerihm! Das ist zu viel! Da sind ja alle drei, welche sterben sollten, beisammen! Und wir hatten doch alle Vorsichtsmaßnahmen getroffen! Das ist schon wieder einer mehr gegen uns. Aber noch fürchte ich mich nicht. Ich habe die Macht in den Händen, sie alle zu verderben, und ich schwöre bei dem Propheten und seinem Bart, daß ich es tun werde. Ich werde ihnen folgen; ich werde sie jagen, und sollte ich bis an den Bahr el Ghasal gehen. Ich suche meinen Sohn auf, und finde ich selbst sie nicht, so gebe ich sie in seine Hände. Hast du denn gar keine Ahnung, wo sie zu treffen sind?“
„Nein. Sie folgten der Karawanenstraße nur eine kurze Strecke weit; dann sind sie, wie die Spuren zeigten, nach rechts abgeritten.“
„So muß ich mich beeilen, nach Abu Hammed zu kommen. Sind sie nicht dort, so sende ich Boten nach Berber, nach Korti und auch nach Debbeh. An einem von diesen Orten muß ich wenigstens eine Spur von ihnen finden.“
„Das ist mir leid. Ich freute mich, als ich dich sah, denn ich glaubte, daß wir nun miteinander reisen würden.“
„Das ist nicht möglich. Du hast den Harem bei dir und kannst nur langsam reisen; mir aber tut nun die höchste Eile not. Wann sind sie von Korosko fort?“
„Am Montag früh.“
„Und heute ist Donnerstag. Du sagtest, daß sie gute Reitkamele ritten; da haben sie einen großen Vorsprung, den ich unbedingt einholen muß. Ich –“
Seine folgenden Worte konnte ich nicht hören, denn es ließ sich wieder Hufschlag hören, und eine laute Stimme rief:
„Auf, ihr Wächter, ihr Bewahrer des Brunnens! Zündet die Leuchte an, denn wir brauchen Wasser!“
Ich zog den Kopf unter dem Zelt hervor und versteckte mich wieder in das Gesträuch. Die Sterne leuchteten heller als vorhin, und ihr Schein war hinreichend, mich sehen zu lassen, daß nicht nur ein Kamelreiter, sondern ein ganzer Trupp angekommen war. Sie ließen ihre Tiere niederknien und stiegen im Finstern ab. Es wurde eine Fackel angebrannt, und nun konnte ich sieben Männer zählen, welche auf fünf Tieren gekommen waren. Dieses Verhältnis der Zahl der Reiter zu derjenigen der Kamele befremdete mich anfangs, doch konnte ich es bald erklären, denn ich erkannte – die vier Sklavenjäger, welchen ich die Freiheit gelassen hatte.
Die anderen drei waren von der Haupttruppe der Sklavenjäger abgeschickt worden, um auf fünf Kamelen beim Bir Murat Wasser zu holen, und hatten unterwegs ihre verunglückten Kameraden getroffen. Nun war es gewiß, daß ich mich nicht geirrt hatte; die vier gehörten zu den Frauenräubern, welche wir suchten. Die letzteren hatten wirklich den nördlichen Weg eingeschlagen und mußten uns in die Hände fallen.
Das freute mich natürlich; um so weniger befriedigte mich meine gegenwärtige Situation. Ich war gekommen, um die Sklavenjäger zu belauschen, und steckte nun hier hinter dem Zelt fest. Sie hielten sich jedenfalls nicht lange auf, und ich fand höchstwahrscheinlich keine Gelegenheit, mich ihnen zu nähern. So dachte ich;
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