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27 - Im Lande des Mahdi I

27 - Im Lande des Mahdi I

Titel: 27 - Im Lande des Mahdi I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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blickte ihr dunkles Auge, welches auf den Anführer gerichtet war und den andern gar nicht zu sehen schien. Der erstere deutete auf den letzteren und gebot dem Mädchen:
    „Du hast ihn beleidigt und mußt es sühnen. Küsse ihn!“
    Sie hörte diesen Befehl, aber gehorchte nicht; sie bewegte nicht den Fuß, nicht die Hand, nicht die Lippen und nicht einmal die Wimpern.
    „Küsse ihn!“ rief der Anführer lauter als vorher. „Sonst –!“
    Er richtete sich empor und zog die Nilpeitsche aus dem Gürtel. Sie stand wie ein steinernes, lebloses Bild, sah ihm starr in das Auge und rührte sich nicht. Da trat er auf sie zu, holte aus, schlug sie und wiederholte seinen Befehl abermals. Sie nahm die schmerzhaften Streiche hin, ohne zu zucken.
    „Haue sie, bis sie gehorcht!“ rief der Narbige zornig, indem er aufsprang.
    „Das darf nur Ibn Asl. Warte, bis er morgen kommt! Aber fühlen soll sie es doch, daß ich heute zu befehlen habe.“
    Er gab ihr noch mehrere Streiche und setzte sich dann nieder, der Häßliche folgte seinem Beispiel; das Mädchen drehte sich um und schritt langsam auf das Zelt zu, hinter dessen Vorhang sie verschwand.
    Wie gerne wäre ich herabgesprungen, um diesem Menschen seine eigene Peitsche zu kosten zu geben! Leider mußte ich für jetzt darauf verzichten, nahm mir aber vor, ihm die verdiente Züchtigung nicht zu schenken. Seine letzten Worte waren von großer Wichtigkeit für mich. Er hatte gesagt, daß Ibn Asl erst morgen kommen werde; also war er nicht Ibn Asl selbst, sondern wohl nur dessen Unteranführer. Wo aber befand sich der Sklavenhändler? Vorhin war davon die Rede gewesen, daß ‚andere‘ noch zurück seien und morgen vom Bir Murat Wasser nachbringen würden. Sollte sich Ibn Asl bei diesen Männern befinden? Aus welchem Grund war er zurückgeblieben, war er nicht bei seiner Karawane?
    Ich brauchte gar nicht lange auf die Beantwortung dieser Frage zu warten, denn die beiden unter mir setzten das unterbrochene Gespräch fort, indem der Häßliche sagte:
    „Hätte Ibn Asl diese Tochter des Scheiks der Fessarah nicht so in seinen Schutz genommen, weil er denkt, gerade für sie einen sehr hohen Preis zu erzielen, so würde ich, dem ich auf alles andere verzichtete, sie als meinen Anteil verlangen und dann die Unverschämte zur Strafe totpeitschen. Mich den verfluchtesten Teufel zu nennen und mir in das Gesicht zu spucken! Wäre sie eine Negerin oder auch eine braune Nubierin, so hätte ich ihr, ohne Ibn Asl zu fragen, die Kehle durchschnitten. Schade, daß er dieses Mal selbst bei der Karawane ist und nicht uns, wie stets geschah, den Transport anvertraut hat! Er könnte heimziehen und wäre dann auch nicht in die Gefahr geraten, von diesem fremden, ungläubigen Effendi ausgehoben werden zu sollen.“
    „Sorge dich nicht um ihn! Die Gefahr wird ihren Rachen jetzt diesem Giaur zugewendet und ihn verschlungen haben.“
    „Dieser Überzeugung bin ich nicht. Übrigens ist es gar nicht gewiß, ob er sich an uns wagen wird!“
    „Abd Asl sagte es, und der Türke Murad Nassyr war derselben Meinung. Beide kennen den Fremden und wissen wohl recht gut, was derselbe machen wird. Ich habe der ganzen Unterredung beigewohnt. Was die beiden noch nicht wußten, daß hat der Scharfsinn unseres Herrn erraten und ergänzt. In Khartum weiß man gewiß von unserem Überfall der Fessaraweiber, und der Raïs Effendina lauert also am Nil auf uns. Den Lieutenant hat er in gleicher Absicht abgesandt, und dieser ist sicher nicht allein gekommen, sondern hat eine Schar Asaker mitgebracht. Er ist mit dem fremden Effendi in Korosko gesehen worden; daraus folgt, daß die beiden auf uns lauern. Aber wehe diesem Christenhund, wenn er sich an Ibn Asl wagt! Der Herr hat mir mitgeteilt, was er mit ihm machen wird.“
    „Zu Tode peitschen?“
    „Nein, sondern noch viel schlimmer. Er fängt ihn, schneidet ihm die Zunge heraus, um von ihm nicht verraten werden zu können, und verkauft ihn als Sklaven an einen schwarzen Stamm des Bahr-el-Ghasal-Landes.“
    „Das wäre eine wohlverdiente Rache. Die fränkischen Christen mögen in ihrem Land bleiben und sich nicht in unsere Angelegenheiten mischen. Was für ein Recht haben sie, uns den Sklavenhandel zu verbieten? Nicht das mindeste! Hoffentlich gelingt es Ibn Asl, diesen Ungläubigen zu ergreifen.“
    „Ich zweifle nicht daran, denn er hat Malaf bei sich behalten und auch die andern, welche den Giaur gesehen haben, als er ihnen ihre Gefangenen abnahm. Sie kennen ihn

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