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27 - Im Lande des Mahdi I

27 - Im Lande des Mahdi I

Titel: 27 - Im Lande des Mahdi I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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gewesen; da du mir aber deinen Namen noch nicht gesagt hast, so hoffe ich, ihn jetzt zu erfahren.“
    „Ich bin Ben Kasawi, der Unterhauptmann unseres Herrn.“
    Ben Kasawi heißt ‚Sohn der Grausamkeit‘, gewiß ein ominöser Name. Als der Mann ihn aussprach, sah er mich an, als ob er erwarte, mich erschrecken zu sehen; ich aber antwortete ihm in ruhigem Ton:
    „Und mich benennt man in Dimiat mit dem Beinamen Abu Machuf (‚Vater des Entsetzens‘), woraus du wohl ersehen wirst, daß ich ein Mann bin der wohl Furcht und Angst verbreitet, sie aber niemals selbst empfindet. Den Beweis hast du an dir selbst erfahren, als ihr uns gefangennehmen wolltet und es dabei doch so anders wurde, daß euer aller Leben in unsere Hände gegeben war. Dürfen deine Freunde, auch euer Herr, davon wissen, oder soll ich schweigen?“
    Jetzt hatte ich ihn in die Enge getrieben. Ich hörte es dem Ton seiner Stimme an, als er antwortete:
    „Was vorüber ist, soll man ruhen lassen, und so denke ich, daß dein Mund verschlossen bleiben wird. Wenn Ibn Asl morgen kommt, werde ich ihm berichten, daß ich euch getroffen habe; von den näheren Umständen braucht er nichts zu wissen. Die Leute, welche hier sind, werden schweigen, denn sie fürchten mich. Nun ist alles in Ordnung, und wir wollen uns zur Ruhe legen. Deine Nacht sei glücklich!“
    „Deine Nacht sei gesegnet!“ antwortete ich.
    „Wir sind sehr schläfrig. Deine Nacht sei ohne Sandflöhe!“ sagte Ben Nil.
    Dieser kleine Kerl grüßte trotz der sehr bedenklichen Lage, in welcher er sich befand, mit einer Ironie, welche mich überzeugte, daß er sich der Gefahr, in welcher er schwebte, sehr wohl bewußt war, sie aber nicht fürchtete. In der Wüste hat man gar wohl Veranlassung, den Sandfloh zu scheuen. Dieses Insekt wird dadurch nicht nur unangenehm, sondern oft sogar gefährlich, daß sich das Weibchen unter den Nägeln der Zehen eingräbt, um dort Eier zu legen. Diese schwellen zur Größe eines Schrotkornes an und verursachen eine böse Entzündung, welche durch die auskriechenden Maden noch verschlimmert wird. Es gibt da keine andere Hilfe, als die Eier mit dem Messer auszugraben. Der Wunsch, des Nachts von diesem Ungeziefer verschont zu bleiben, ist also ein sehr berechtigter, doch hörte ich ihn als Nachtgruß hier zum erstenmal.
    Die Nacht war still. Die müden Kamele schliefen und die Menschen ebenso, doch bei den letzteren gab es wohl einige Ausnahmen. Vier von ihnen waren, selbst als über eine halbe Stunde vergangen war, gewiß noch munter, nämlich ich, mein braver Ben Nil, der Anführer und der Häßliche.
    Daß die beiden letzteren meinen Gefährten nicht als ihren Gast und Schützling betrachteten, glaubte ich annehmen zu dürfen. Infolgedessen hatten sie jedenfalls etwas gegen ihn vor. Ich als ihr erklärter Hamiji (Schützling) durfte nicht erfahren, was sie beabsichtigten. Was sie tun wollten, das mußte heimlich geschehen, also während der Nacht, und voraussichtlich schon während dieser Nacht. Darum nahm ich an, daß sie nicht schliefen. Es galt aufzupassen.
    Sie gaben sich den Anschein, fest zu schlafen, und bewegten sich nicht. Ich holte tief und regelmäßig Atem wie ein Schlafender, und zwar so, daß sie es hörten. Ben Nil schnarchte sogar ein wenig, doch war ich überzeugt, daß auch er sich verstellte. Wir vier lagen so nahe nebeneinander, daß zwei nicht miteinander flüstern konnten, ohne daß es von den andern, wenn sie wachten, bemerkt worden wäre; aber sehen konnten sie uns nicht. Zwar schienen die Sterne, aber ihr Licht war hier untern am tiefen Fuß des Felsens nicht einmal hinreichend genug, die Haïks von dem hellen Sand und Steingrus unterscheiden zu lassen. Die beiden Sklavenjäger mußten sich miteinander verständigen; da dies nicht hier so nahe bei uns geschehen konnte, so war zu vermuten, daß sie sich entfernen würden, und das konnte vorsichtigerweise nur nach der von mir und Ben Nil abgelegenen Seite geschehen. Ich beschloß also, mich nach dieser Seite zu machen, um ihre Entfernung beobachten zu können.
    Ich schob mich zu Ben Nil hin, legte ihm den Mund an das Ohr und flüsterte ihm die beiden Worte „bleib' liegen!“ zu. Er antwortete nicht, berührte aber meine Hand mit der seinigen, um mir anzudeuten, daß er wach sei und mich verstanden habe. Dann kroch ich in einem Bogen weiter, bis ich an der andern Seite der Sklavenjäger zu liegen kam. Dort sprang eine Kante des Felsens vor, hinter welcher ich es mir bequem machte. Ich

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