27 - Im Lande des Mahdi I
teilt, sobald jeder die Hälfte der Frucht gegessen hat, ist an einen Verrat nicht mehr zu denken. Der Kommandant befahl, unsere Kamele zu den übrigen zu schaffen, und lud mich dann ein, mich am Brunnen bei ihm niederzusetzen. Da er dabei Ben Nil nicht erwähnte und mir dadurch Veranlassung gab, für die Sicherheit desselben zu fürchten, fragte ich ihn:
„Und Ben Menelik, mein Begleiter? Wo soll dieser lagern?“
„Er mag sich zu meinen Leuten setzen“, antwortete er in beinahe wegwerfendem Ton.
„Das möchte ich ihm nicht zumuten“, erwiderte ich. „Er ist mir während unseres Rittes mehr Freund als Diener gewesen, und darum möchte ich, daß er auch jetzt bei mir bleiben darf.“
„Das geht nicht. Ich bin der Kolarasi (Hauptmann) dieser Karawane, also ein Offizier, und darf bei keinem sitzen, der unter mir steht.“
„Dann bitte ich dich, zu bedenken, daß Ben Menelik der Sohn des Scheiks eines großen und berühmten Stammes ist!“
„Was ist das weiter? Mir steht er trotzdem nicht gleich, und ich will dir aufrichtig sagen, daß ich mich schon herablasse, indem ich dir, der du nur ein Händler bist, erlaube, bei mir zu sein. Also setz' dich nieder und sprich mir nicht dagegen!“
Es zuckte mir in der Hand, ihm eine Ohrfeige zu geben; aber ich mußte gute Miene zum bösen Spiel machen. Verfeindete ich mich mit ihm, so brachte ich nicht nur meinen Plan, sondern sogar mein Leben in Gefahr. Es kam zunächst darauf an, von ihm die Zeichen der Gastfreundschaft, also der Sicherheit zu erhalten, und das wäre jetzt durch ferneren Widerspruch verhindert worden. Wartete ich aber bis dahin, so gelang es mir höchstwahrscheinlich, die Gefahr, in welcher sich Ben Nil ohne allen Zweifel befand, von ihm abzuwenden. Darum schwieg ich und setzte mich nieder, und zwar neben den schon erwähnten häßlichen Menschen, welchen ich mit dem Anführer an dem Brunnen belauscht hatte. Letzterer nahm einige Datteln, teilte sie mit mir, füllte einen kleinen Flaschenkürbis mit Wasser, reichte mir das Gefäß, nachdem er einige Schlucke getrunken hatte, gab mir die Hand und sagte:
„Willkommen; iß, trink; du bist mein Gast!“
Ich trank schnell einen Schluck, steckte eine Dattel in den Mund und gab Ben Nil, welcher uns scharf beobachtend in der Nähe stand, einen Wink. Er verstand die Situation vollkommen, trat rasch herbei, nahm den Kürbis und eine Dattel von mir, trank, schob die Dattel in den Mund und sagte, sich zu dem Anführer wendend:
„Ich esse und trinke deine Gaben; nun sind deine Flügel über mich gebreitet, und jeder deiner Freunde oder Feinde ist auch der meinige.“
Das war so schnell geschehen, daß der Anführer gar nicht Zeit gefunden hatte, es zu verhindern. Er fuhr mich zornig an:
„Warum hast du es weitergegeben? Habe ich es dir befohlen?“
Da ich nun sein Gast geworden war und nichts mehr für mich zu fürchten hatte, brauchte ich nicht mehr so zurückhaltend wie vorher zu sein und antwortete infolgedessen:
„Ich habe Ben Menelik gegeben, weil er zu mir gehört und also ganz selbstverständlich ebenso dein Gast ist, wie ich es bin. Befohlen hast du es mir allerdings nicht, weil deine Klugheit und Einsicht es dir verbot.“
„Meine Einsicht? Wieso?“
„Wieso?“ wiederholte ich im Ton des Erstaunens seine Frage. „Weil du mir nichts zu befehlen hast.“
„Du irrst dich. Ich bin der Anführer und Gebieter!“
„Aber nicht der unsrige. Der Sohn eines Scheiks erkennt keinen Gebieter über sich, und was mich betrifft, so bin ich zwar jetzt in diesem Augenblick und während dieser Reise ein Händler, sonst und im übrigen aber der Raïs el Beledije (Bürgermeister) von Dimiat. Was das heißt, wirst du wohl wissen, und nun bist du es, der stolz darauf sein kann, daß er bei mir sitzen darf. Ben Menelik, laß dich an meiner Seite nieder! Du bist ein treuer und geschickter Führer und ein freier Krieger vom Stamm der Monassir. Es beleidigt meine Würde nicht, wenn der Zipfel deines Gewandes den Zipfel des meinigen berührt.“
Der junge Mann kam dieser Aufforderung natürlich nach, freilich sehr gegen den Willen des Anführers. Auf diesen schien der ‚Bürgermeister von Dimiat‘ zwar einigen Eindruck gemacht zu haben, doch beabsichtigte er trotzdem, mir zu imponieren, denn er sagte:
„Du verfährst sehr selbständig, o Saduk el Baija. Wenn du wüßtest, wer ich bin, würdest du wohl weniger zuversichtlich sein.“
„Ich bin während meines ganzen Lebens noch niemals ohne Zuversicht
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