27 - Im Lande des Mahdi I
hatte eine Weile zu warten; dann hörte ich, bevor ich etwas sah, ein leise knirschendes Geräusch.
Es bewegte sich jemand. Dann kamen sie an mir vorüber, nicht gegangen, sondern sie wälzten sich, um auf diese Weise zunächst so weit fort zu kommen, bis ihre Schritte nicht mehr zu hören waren. Ich schob mich hinter ihnen her. Bald standen sie auf und gingen. Ich folgte ihnen in der Weise eines vierfüßigen Tieres, indem ich mich auf Händen und Füßen fortbewegte. Glücklicherweise blieben sie nicht innerhalb des Kreises der Schläfer stehen, was das Belauschen natürlich sehr erschwert hätte, sondern sie gingen über denselben hinaus; dort setzten sie sich nebeneinander nieder.
Ich fragte mich, warum sie sich setzten und nicht stehen blieben. Einen aufrecht stehenden Menschen sieht man leichter als einen sitzenden. Wollten sie selbst auch von den Ihrigen nicht gesehen werden? Dann hatten sie die Absicht, ihr Vorhaben allein und ohne Zeugen auszuführen. Das war, wie ich bald erfuhr, ganz richtig vermutet. Den für mich günstigen Umstand, daß sie sich gesetzt hatten, benutzend, kroch ich so nahe zu ihnen heran, daß mein Kopf sich nur zwei Ellen vor ihnen befand. Da sie nicht laut sprachen, sondern flüsterten, durfte ich, um sie zu verstehen, nicht hinter, sondern vor ihnen liegen, was allerdings doppelt gefährlich war. Ich vertraute aber meinem guten Glück, der herrschenden Finsternis und vor allen Dingen der Ähnlichkeit der Farbe meines Anzugs mit derjenigen der Umgebung. Sollte ich dennoch von ihnen bemerkt werden, so mußte ich entweder den Umständen nach schnell handeln oder eine Ausrede hervorsuchen.
Bei dem leisen Ton, in welchem sie sprachen, gingen mir viele ihrer Worte verloren, doch hörte ich so viel, daß ich mir den Zusammenhang zu konstruieren vermochte. Sie sprachen zunächst von mir, ich hörte den ‚Sohn der Grausamkeit‘ sagen:
„Ich stieß dich an, mir zu folgen, weil wir äußerst vorsichtig sein müssen. Was sagst du zu diesem Saduk el Baija?“
„Daß er kein gewöhnlicher Mann sein kann“, antwortete der Häßliche. „Zum Bürgermeister einer Stadt, wie Dimiat ist, macht man nur einen Menschen, welcher sich viel ausgezeichnet hat. Und daß man ihn dort ‚Vater des Entsetzens‘ nennt, ist ein Beweis, daß er mit seinen Untergebenen sehr streng verfährt.“
„So sind diese Beamten alle gegen ihre Untergebenen streng und hart; sie selbst aber kümmern sich wenig um die Gesetze. Der Bürgermeister handelt mit Sklaven, was doch verboten ist. Aber darum frage ich dich nicht; ich meinte es anders. Dieser Mann bekleidet zwar jetzt eine Zivilstellung, ist aber jedenfalls Offizier gewesen. Das ist aus der Art und Weise zu ersehen, wie er sich gegen uns verhielt, als wir ihn überrumpelten.“
„Nun, überrumpeln hat er sich ja gar nicht lassen; wir liefen, anstatt ihn zu überraschen, ihm in die Arme. Allah weiß es, daß wir uns vor ihm schämen müssen. Es war ein Glück, daß er uns suchte; im andern Fall hätte er uns niedergeschossen, denn gegen so einen fränkischen Revolver kann man mit Messern und einläufigen Flinten nicht aufkommen. Er ist ein geistesgegenwärtiger und verwegener Kerl, was uns aber nur lieb sein kann, da er unser Freund und Verbündeter ist. Aus diesem Grund müssen wir auch darüber hinsehen, daß er den hiesigen Brunnen kennengelernt hat; aber der Knabe, welcher ihn begleitet, sollte von diesem Geheimnis nichts wissen.“
„Das ist es, worüber ich mit dir reden will. Dieser Sohn der Monassir wird seinen Leuten natürlich mitteilen, daß es hier Wasser gibt, und sie werden infolgedessen hier so oft lagern, daß der Ort, ohne welchen wir nicht bestehen können, für uns verlorengeht. Das muß verhütet werden.“
„Ganz richtig! Aber wie?“
„Sage du es!“
„Meinst du, daß wir ihn schwören lassen, das Geheimnis zu bewahren?“
„Das genügt nicht. Selbst wenn er den Schwur halten sollte, würde er für seine Person den Brunnen zuweilen benutzen, und das darf nicht geschehen, gar nicht davon zu sprechen, daß er dabei zufällig beobachtet werden kann, wodurch unser Geheimnis in noch viel größere Gefahr kommen würde. Der Schwur ist ein Schloß vor dem Mund; aber jedes Schloß ist zu öffnen. Man hat nur dann die volle Sicherheit, wenn der Mund für immer stumm gemacht worden ist.“
„Aber dieser Ben Menelik ist doch unser Gast! Er hat mit uns Wasser getrunken und deine Dattel gegessen!“
„Aber nicht von meiner Hand. Die
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