Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
27 - Im Lande des Mahdi I

27 - Im Lande des Mahdi I

Titel: 27 - Im Lande des Mahdi I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
wirklicher Freude am Bösen sündigt, obgleich er mit einem Fuß bereits im Grab steht, dieser Teilnahme auch noch wert? Der Christ mag auch hier mild urteilen, der Bürger aber kann das nicht und der Psychologe wohl auch nicht. Ich ging nach hinten zu dem Steuermann. Er streckte mir die Hand entgegen und sagte:
    „Effendi, ich danke dir, daß du für mich gesprochen hast! Ich bin ein Verwandter des Raïs und kann nicht von ihm fort. Ich habe dir nichts Böses tun wollen und darum zu allem geschwiegen.“
    „Aber du mußt doch einsehen, daß dein Schweigen eine Sünde, ein Verbrechen war!“
    „Ich hätte nichts ändern können. Sollte ich den Raïs gegen dich verraten?“
    „Ja, und dann wäre es nicht so schlimm für euch geworden, denn der Emir hätte die Dahabiëh nicht bestiegen, da wir ihn erst durch unser lautes Reden herbeigezogen haben, und würde nun auch nicht entdecken, daß dieses Segelboot ein Sklavenschiff ist.“
    „Ein – Skla – ven – schiff!“ stammelte er entsetzt. „Wer – wer – behauptet – das?“
    „Der Emir, und der ist ein Kenner.“
    „O Unheil, o Verwirrung meiner Gedanken! Allah, Allah, Allah! Mein Körper wankt, meine Gebeine beben, und meine Seele zittert. Ich tauche unter im Meer der Trübsal, und die Wirbel des Entsetzens mahlen mich hinab in die Tiefe der Verzweiflung! Welche Seele erbarmt sich meiner, und welche Hand streckt sich aus, mich zu retten?“
    „Schweige! Schrei nicht so! Man soll uns nicht beachten. Gibst du zu, daß diese Dahabiëh zum Sklavenraub bestimmt ist?“
    „Zum Raub nicht, aber zum Transport.“
    „Du bist schon fast sechzig Jahre alt. Hast du Familie?“
    „Einen Sohn und mehrere Enkel und Enkelinnen, droben in Gubatar, bei denen sich auch mein Weib befindet.“
    „Das ist in der Nähe der freien Uled-Ali-Beduinen, die ich kenne. Fliehe zu ihnen, und bleibe dort, bis diese Sache vergessen ist. Hast du Geld?“
    „Nur wenige Piaster, und die hat der Raïs.“
    Ich suchte zusammen, was ich entbehren konnte, gab es ihm und sagte:
    „Ich habe bemerkt, daß das kleine Boot hinten am Steuer befestigt ist. Laß dich an dem Tau, an welchem es hängt, hinab, und mach' dich schnell davon!“
    „Recht gern, o wie gern! In einem Jahr wird alles vergessen sein, und dann darf ich mich wieder sehen lassen. Aber wie komme ich hinauf zum Steuer? Man wird mich sehen!“
    „Nein, denn ich gehe jetzt vor und werde die Leute so beschäftigen, daß sie ihre Aufmerksamkeit nur auf mich richten. Also paß auf! Sobald du bemerkst, daß niemand hersieht, springst du die Stufen hinauf.“
    „Ja, ja Effendi! Oh, welchen Dank bin ich –“
    „Rede nicht, und handle lieber! Allah beschirme deine Flucht und lasse dich nicht wieder auf solche Abwege geraten!“
    „Nie wieder werde ich Böses tun! Effendi, kein Moslem hätte sich meiner erbarmt; du aber, der du ein Christ bist, hast mich –“
    Mehr hörte ich nicht, denn ich war schon von ihm fort, um zum Mast zu gehen, wo ich die Leute des Emir nach ihrem ‚Falken‘ fragte. Sie waren so voller Bewunderung über die Vorzüge dieses ihres Fahrzeuges, daß sie alle zugleich auf mich einsprachen. Und als ich ihnen mitteilte, daß ich mit ihnen fahren würde, drängten sie sich so um mich, daß dem Steuermann die beabsichtigte Gelegenheit geboten wurde. Ich sah ihn die Stufen emporeilen und hinter dem Qualm der Pechpfanne verschwinden. Wer mir jetzt gesagt hätte, daß ich ihn bald wiedertreffen werde, nicht bei den Uled-Ali-Beduinen, sondern droben im Sudan, dem hätte ich es wohl kaum geglaubt.
    Jetzt kehrte der Emir mit seinen beiden Begleitern zurück. Schon befürchtete ich, daß er zunächst den Steuermann aufsuchen und also dessen Flucht vorzeitig entdecken werde; aber glücklicherweise kam er direkt zu uns an den Mast und wendete sich an den Raïs:
    „Zunächst will ich noch eine Nebensache beenden. Wieviel hat dieser Emir für Passage bezahlt?“
    „Hundert Piaster“, behauptete der alte, freche Sünder selbst noch jetzt.
    „Der Effendi aber spricht von dreihundert. Du gibst also zweihundert weniger an. Einer von euch will mich täuschen. Dir glaube ich nicht. Lieber nehme ich an, daß der Effendi sich um zweihundert geirrt hat. Das sind also fünfhundert, welche du ihm sofort auszahlen wirst.“
    „Das ist Betrug, der offenbarste Betrug!“ schrie der Alte, fühlte aber sofort die Peitsche des ‚Lieblings‘ auf seinem Rücken, wodurch er zu der Erklärung bewegt wurde, daß er mit der

Weitere Kostenlose Bücher