27 - Im Lande des Mahdi I
Peitschenoberlehensherrlichkeit die Karbatsche zweimal in solcher Weise über den Rücken, daß der Alte gewiß nicht wieder aufzubegehren wagte.
„So!“ nickte der Emir, sehr befriedigt über den Arbeitseifer seines Untergebenen. „Ob einer Sklave, Diener, Kommandant, Moslem oder Heide ist, das bleibt sich vor Allah, mir und meiner Peitsche vollständig gleich. Wer widerspricht oder lügt, hat es auf seinen Rücken zu nehmen. Jetzt rede, du berühmter Kommandant: Seit wann dient dieser Barik aus Minieh auf deinem Schiff?“
„Seit heute“, erklang es in unterdrücktem Grimm.
„Wer brachte ihn?“
„Der Mokkadem.“
„Welche Aufgabe war ihm hier geworden?“
„Er sollte den fremden Effendi bedienen.“
„Sich bei demselben einschmeicheln, um in seine Dienste zu treten und ihn später dem Mokkadem, das heißt, dem Tod zu überliefern?“
„Davon weiß ich nichts.“
„So hast du es vergessen, und wir werden dir den Dienst erweisen, dein Gedächtnis zu stärken.“
Der Raïs wurde niedergezogen und empfing die Peitsche, aber nur dreimal, dann gestand er das Gefragte ein.
„Sieh, wie schnell die Peitsche die Vergeßlichkeit beseitigt!“ meinte der Emir. „Ja, die Haut des Nilpferdes öffnet gleich beim ersten Hieb das Fleisch des Leibes und die Verstocktheit des Herzens. Du wirst so liegenbleiben und ferner antworten. Hast du gewußt, daß die Brieftasche gestohlen werden sollte?“
„Ja – ja“, gestand der Alte zögernd.
„Und die Hand dazu geboten?“
„Nein – ja, o ja!“ schrie er überlaut, als er sofort wieder die Peitsche fühlte.
„Hast du gewußt, daß der Effendi später getötet werden sollte?“
Das Eingeständnis erfolgte erst nach dem zweiten Hieb.
„Hast du den Rat gegeben, daß er besser gleich heute ermordet werden sollte?“
Der Raïs schwieg. Ja wollte er nicht sagen, und doch fürchtete er sich vor dem Zwangsmittel, welches von dem echten Türken Kyr-, von dem Araber aber Karbatsch genannt wird. Die Tätigkeit des ‚Lieblings‘ aber brachte ihn schnell zum Geständnis.
„Ich könnte noch weiter fragen“, fuhr der Emir fort; „aber du ekelst mich an. Du bist ein feiger Hund, der wohl den Mut zur Sünde, aber nicht auch zum Geständnis hat. Du wirst in deinem eigenen Schlamm ersticken. Lehnt ihn an den Mast! Und nun zum Steuermann!“
Dieser hatte schon vom Zusehen allein gezittert. Als er hörte, daß die peinliche Frage jetzt an ihn gerichtet werden sollte, fiel er gleich in die Knie und zeterte:
„O Allah, o Himmel, o ihr Mächte! Nicht schlagen! Ich bekenne alles, alles!“
„Emir“, bat ich den Raïs Effendina, „habe Nachsicht mit ihm! Er scheint nicht so schlimm zu sein. Er mußte dem Raïs gehorchen, hat, während ich lauschte, kein einziges Wort gesagt und dann, als ich ihnen ihre Schlechtigkeit vorwarf, die Wahrheit meiner Anklage durch seine Angst, sein Entsetzen über meine vermeintliche Allwissenheit zugegeben. Er ist in schlechte Gesellschaft geraten; das ist sein Vergehen.“
„Er hat recht, der Effendi; er hat recht. Allah wird ihn für diese Worte segnen!“ jammerte der Furchtsame.
„Gut, ich will es glauben“, entschied der Emir, „und dir nur eine einzige Frage vorlegen. Gibst du zu, daß alles, was der Effendi uns erzählt hat, wahr ist?“
„Ja, es ist wahr, alles, alles!“
„So steh' auf! Man wird Erbarmen mit dir haben. Aber ich setze da voraus, daß du nachher auf eine andere Frage ebenso aufrichtig antworten wirst!“
„Welche Frage? Ich sage alles!“
„Du wirst es erfahren. Du sollst bei diesen beiden verstockten Bösewichtern bleiben. Setz dich hin an die Kajüte; aber rühre dich nicht!“
Ich verstand die Absicht des Emirs. Der Steuermann sollte fern von dem Raïs gehalten werden, damit dieser ihn nicht durch Drohungen oder Versprechungen bewegen könne, das von ihm noch erwartete Geständnis zu verweigern. Jetzt ließ der Raïs Effendina nach drei Lampen suchen, und als diese gebracht und angebrannt worden waren, stieg er mit seinem ‚Liebling‘ und dem Steuermann, jeder eine Lampe tragend, in die schon erwähnte Luke hinab.
Ich sah, daß der Raïs die Lippen zusammenpreßte, wohl nicht allein infolge des Schmerzes, welchen die aufgesprungenen Peitschenschwielen ihm verursachten; es war auch die Angst vor der Entdeckung, welche jetzt zu erwarten stand. Ich mochte diesen Menschen nicht mehr ansehen. Ein jugendlicher Verbrecher erweckt sicher unser Mitleid; aber ist ein alter Mann, welcher aus
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