27 - Im Lande des Mahdi I
versteckten. Kaum war der Blick des Hengstes auf sie gefallen, so sprang er auf und begann, mit allen vieren um sich zu schlagen. Ich trat zu ihm und brachte es durch Streicheln und Zureden so weit, daß er sich beruhigte und sich sogar von ihnen berühren ließ. Er hielt mich für seinen Herrn und duldete sie, wenn auch nicht gern.
Ich riet, ihn wieder in den Hof zu lassen. Als dies geschehen war, ritt ich einige Male die Runde, stieg dann ab und forderte den Stallmeister auf, den Sattel einzunehmen. Er zögerte. Die Sache mußte ihm allerdings bedenklich vorkommen, doch auf mein wiederholtes Zureden tat er es doch. Der Hengst sträubte sich ein wenig und ging einige Male in die Höhe, ließ sich aber doch durch freundliches Zureden zum Gehorsam bringen, so daß der Reiter wiederholt um den Hof galoppieren konnte. Als er abgestiegen war, wurde der Grauschimmel im Freien gelassen, und wir, nämlich der Stallmeister, der Haushofmeister und ich, begaben uns in das Speisezimmer, in welchem das Mittagsmahl eingenommen werden sollte.
Da den Frauen und Töchtern nicht gestattet ist, mit den Männern zu essen, und der einzige Sohn des Hauses, über Kopfweh klagend, sich wieder zurückgezogen hatte, so waren eigentlich nur der Stallmeister und ich diejenigen, für welche das Essen aufgetragen wurde. Der Haushofmeister hatte schon gegessen und setzte sich in einiger Entfernung von uns nieder. Da aber wurde ein wahrer Berg fetten Pilaws und Rosinen gebracht, und dazu kam eine große Platte, auf welcher ein ganzer, gebratener Hammelleib, ohne den Kopf und die Vorderbeine, lag. Das duftete so schön und einladend, daß der Haushofmeister ein leises Räuspern hören ließ. Als dies den gewünschten Erfolg nicht hatte, begann er nachdrücklich zu husten, und zwar in einer so vielsagenden Art und Weise, daß der Stallmeister ein vollständiger Barbar gewesen wäre, wenn er ihn nicht verstanden hätte. Er fragte ihn also, ob er mitessen wolle.
„Nein“, antwortete der Unförmliche, indem er sich mit der Hand den Mund wischte. „Ich habe schon gegessen.“
Damit wäre die Sache abgemacht gewesen; aber da schnitt ich mir ein Stück Keule ab und zog, als ich den ersten Bissen im Munde hatte, mit Absicht ein so verklärtes Gesicht, daß der Dicke nicht zu widerstehen vermochte. Freilich hatte er schon abgesagt; aber es gab ein Mittel, diesen Fehler ungeschehen zu machen. Er griff zu demselben, indem er sich an mich wandte:
„Effendi, mein Magen beginnt schon wieder zu schmerzen. Es ist abermals die schreckliche Leere.“
„So mußt du essen.“
„Dann erlaube, daß ich mich entferne!“
„Nein, das wird er dir nicht erlauben“, fiel der Stallmeister ein. „Dafür aber wird er dir gestatten, mit uns zu speisen.“
„Wenn das der Fall ist, so nehme ich bei euch Platz. Ich habe schon daheim gegessen und werde hier nur ein wenig nippen.“
Er bediente sich des arabischen Wortes dahk, welches so viel wie kosten, versuchen, nippen bedeutet, und ich gestehe, daß ich auf dieses Nippen neugierig war. Nachdem er sein Kissen herübergebracht und sich zu uns gesetzt hatte, riß er sich, ohne ein Messer in Gebrauch zu nehmen, die andere Keule ab und wollte sie zum Munde führen, um sie direkt mit den Zähnen zu bearbeiten; da aber hielt ich seinen Arm fest und sagte:
„Halt! Willst du sterben?“
„Sterben? Allah verhüte es! Warum fragst du mich so?“
„Vor dem Essen dich siebenmal gegen Mekka verneigen! Verstanden?“
„Ich will ja nicht essen, sondern bloß ein wenig nippen!“
„Es ist ganz gleich, ob du viel oder wenig genießt. Was der Arzt verordnet hat, das muß streng befolgt werden.“
„Du hast recht, Effendi. Es handelt sich um mein Leben, und so muß und werde ich gehorchen.“
Er erhob sich, nahm die Richtung gegen Mekka und machte, die tropfende Keule in der Hand, sieben tiefe Verbeugungen. Dann setzte er sich nieder und begann zu ‚nippen‘. Nun, wenn das genippt oder gekostet war, so möchte ich einmal wissen, was essen ist! Es ging mir hier gerade so wie mit Murad Nassyr, meinem dicken, türkischen Freund in Kairo. Ehe ich nur die Hälfte meines kleinen Stückes verzehrt hatte, war die Keule verschwunden. Dann kam die eine Brust dran, welche mit wahrhaft virtuosem Geschick von den Knochen losgezogen wurde. Während meine Hand nur niedliche Vertiefungen in dem Pilawberg zurückließ, riß der Haushofmeister ganze Gletscher, denen riesige Bergstürze folgten, los. Weißglänzende Reis-Firnen und
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