27 - Im Lande des Mahdi I
es wird mit dir wie ein Wind davonfliegen und nicht innehalten, bis es tot zusammenbricht!“
„Effendi, was weißt du von einem Wort des ‚Zeichens‘ und von dem allabendlichen in-das-Ohr-Beten der Sure? Das sind Geheimnisse, welche der Besitzer keinem andern, nicht einmal seinem erstgeborenen Sohn verrät.“
„Das weiß ich. Ich habe einen echten Schammar-Hengst besessen, welcher sein Geheimnis und seine Sure hatte, welche ich ihm täglich vor dem Schlafengehen in das Ohr betete. Er war ein so kostbares Tier, daß ich ihn gegen drei Pferde, wie dieser Grauschimmel ist, nicht hingegeben hätte.“
„Wie? Du hättest einen Schammar-Hengst besessen?“
„Ja. Ich befand mich damals bei den Haddedihn vom Stamm der Schammar. Wollen kurz sein! Du befürchtest, dir den Zorn des Pascha zuzuziehen und glaubtest vorhin, daß ich nicht imstande sei, dich von dieser Sorge zu befreien. Ich will dir das Gegenteil beweisen. Ich besteige das Pferd und reite es. Willst du wetten?“
„Um Allahs willen, was fällt dir ein! Du würdest den Hals brechen!“
„Fällt mir nicht ein! Es wird mir ein Vergnügen sein, dir zu beweisen, daß ihr dieses edle Pferd schlecht behandelt habt. Rufe deinen Sohn und die Reitknechte herbei, damit sie lernen, wie man es machen soll!“
Er hielt mich für einen Laien, welcher sich mutwillig in eine Gefahr begibt, deren Größe er gar nicht zu beurteilen weiß, und gab sich alle Mühe, mich von meinem Vorhaben abzubringen. Endlich gab er nach. Ich wollte ihm beweisen, daß ein Beduine vor einem Europäer nichts voraus haben müsse. Ich ging in mein Zimmer, um – infolge einer ganz gewissen Absicht – meinen hellen Haïk zu holen, und er suchte indessen seine Leute zusammen. Sie versammelten sich in einem Raum, welcher an das niedrige Stallgebäude stieß und von dem aus man leicht auf das platte Dach desselben steigen konnte. Es fanden sich auch noch andere ein. Zuletzt kam der dicke Haushofmeister zur Tür hereingekeucht und rief mir außer Atem zu:
„Effendi, was hast du vor! Ich höre, daß du den Rücken des leibhaftigen Teufels besteigen willst. Hüte dich vor ihm! Fiele ich von seinem Rücken, so käme ich vielleicht mit dem Leben davon, weil meine Knochen von den weichen Kissen des Fleisches umbettet sind. Wirft es aber dich ab, so fahren deine Gebeine auseinander wie ein Rattennest, in welches eine Katze springt.“
„Sorge dich nicht um mich. Hast du gegessen?“
„Ja.“
„Fühlst du noch Schmerzen?“
„Nein.“
„So steige hinaus auf das Dach des Stalles, und sieh zu, wie schnell der Grimm des Teufels sich in Freundlichkeit verwandeln wird! Es hat niemals in einem Stall gesteckt; daß er hier eingesperrt worden ist, hat seine Wut erregt. Auch befremdet ihn die Kleidung der Leute. Er hat in seiner Heimat nur Männer getragen, welche in den Haïk gehüllt waren. Das mußtet ihr bedenken. Und anstatt diese Fehler in Liebe gutzumachen, habt ihr ihn mit Strenge behandelt. Sagt, wie heißt der Grauschimmel?“
„Er hat noch kein Geheimnis und noch keinen Namen, da er ein Geschenk werden sollte. Beides soll ihm erst noch vom Pascha gegeben werden.“
„Das ist es, was ich wissen will. Der Beduine pflegt sein Pferd beim Namen oder bei der Farbe zu rufen, und zwar mit sehr schriller Stimme. Ich bin fest überzeugt, daß der Schimmel, falls ich das bei ihm tue, mir gehorchen wird. Also steigt auf das Dach, damit ihr sicher seid! Ich werde erst so, wie ich dastehe, auf den Hof treten und dann im Haïk, und ihr sollt den Unterschied sehen.“
Die Leute folgten meiner Aufforderung. Als sie mit untergeschlagenen Beinen oben nebeneinander saßen, machte ich die Tür auf und stellte mich vor dieselbe. Kaum hatte der Hengst mich erblickt, so kam er schnaubend herbeigeflogen, und ich mußte mich durch einen schnellen Sprung vor seinen Hufen in das Innere retten. Er blieb draußen stehen, und es dauerte eine geraume Zeit, ehe er sich beruhigte und sich entfernte. Jetzt fuhr ich in den Haïk und zog die Kapuze desselben über den Kopf; dies gab mir das Aussehen eines Beduinen. Der Raum, in welchem ich mich befand, war eine Vorkammer zum Stall und enthielt nur Gegenstände, welche zu demselben und den Pferden in Beziehung standen. In der Ecke sah ich ein Gefäß mit jener geringsten Sorte von Datteln, welche Bla Halef genannt und mit welchen die Pferde gefüttert werden. Ich steckte einige Hände davon ein.
Der Hengst stand jetzt, von mir aus gerechnet, am entferntesten Punkt
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