27 - Im Lande des Mahdi I
des Hofes, mit dem Kopf von mir abgewendet. Ich öffnete die Tür so leise, daß er es nicht hörte. Die Augen der oben Sitzenden waren mit größter Spannung auf mich und das Pferd gerichtet.
„Ia Hsan azrak!“ rief ich so schrill wie möglich. Das Tier fuhr mit dem Kopf herum. Jetzt mußte sich zeigen, ob ich richtig oder falsch vermutet hatte. Hatte ich mich verrechnet, so befand ich mich in keiner geringen Gefahr, welche ich aber auch zu überstehen hoffte. Das Pferd stutzte; es blieb stehen, mit hoch erhobenem Kopf nach mir blickend. Es öffnete die Nüstern; es spielte mit den kleinen Ohren, und es wehte mit dem Schwanz; es war ein Bild der Überraschung. Jetzt kam das Wagnis. Ich entfernte mich von der Tür, nahm einige Datteln in die Hand, streckte dieselben aus und ging auf den Schimmel zu. Vom Dach herunter erschollen Warnungs- und Schreckensrufe:
„Ia Hsan azrak!“ lockte ich abermals, indem ich langsam weiterschritt, den Blick fest aber freundlich auf den Hengst gerichtet. Er wieherte leise auf, drehte sich vollends herum und kam in einem kurzen, eleganten Bogen auf mich zugetänzelt. Kurz vor mir blieb er stehen, die Vorderhufe fest eingestemmt und mich mit weit offenen Augen und Nüstern taxierend.
„Grauschimmel, mein Liebling, mein Guter, nimm friß!“ forderte ich ihn in sanftem, zutraulichem Ton auf, indem ich vollends zu ihm herantrat und ihm die Datteln an die halbgeöffneten Lippen hielt. Natürlich mußte ich mich des Arabischen bedienen, da diese Klänge ihm bekannt waren. Er beschnupperte meine Hand, dann den Arm bis herauf zur Achsel und nahm dann eine Dattel, noch eine und noch eine, bis sie alle waren. Ich hatte gesiegt.
Ich nahm noch mehr aus der Tasche, hielt sie ihm mit der Linken hin und liebkoste mit der Rechten seinen schönen Hals. Dann zog ich seinen Kopf nieder und flüsterte ihm diejenige Koransure, welche mit gerade einfiel, in das Ohr. Das tut der Araber allabendlich mit seinem Lieblingspferd. Er hat dabei stets eine und dieselbe Sure. Ist dieselbe gebetet, so schlafen beide, Pferd und Reiter, ein. Das erstere wird dieses Flüstern so gewohnt, daß es einen etwaigen Käufer oder überhaupt späteren Besitzer, welcher dies unterlassen wollte, nicht als Herrn anerkennen und ihm nur mit Widerspruch gehorchen würde.
Der Hengst stutzte. Ob ich die ihm gewohnte Sure traf, was jedenfalls nicht der Fall war, das war natürlich gleichgültig. Die Hauptsache lag in dem Vorgang überhaupt und in dem Flüsterton. Das Tier ließ einen leisen Laut, fast wie ein fröhliches, nach innen gerichtetes Wiehern hören; dann hob es den Kopf und wieherte so schmetternd, daß nicht wenig fehlte, und ich wäre erschrocken zur Seite gesprungen. Nun rieb es seinen Kopf an meiner Schulter und strich mir mit den Lippen wie küssend über das Gesicht. Ich legte ihm beide Arme um den Hals, drückte den Kopf an mich und hielt ihm den Mund an das Ohr, um leise weiter zu flüstern. Das war das Zeichen zum Ruhen, zum Schlafen, und ich erreichte meine Absicht glänzend, denn noch hatte ich nur wenige Verse gesprochen, so legte das Pferd sich nieder, und ich streckte mich zwischen seine Beine hin, indem ich seinen Leib als Kopfkissen benutzte. Vom Dach herab waren laute Rufe der Bewunderung zu hören. So lagen wir einige Zeit; dann sprang ich plötzlich auf und rief:
„Dir balak, 'l a'adi – paß auf, die Feinde!“
Im Nu stand das Pferd neben mir, und ich stieg in den Sattel, ohne daß es auch nur die geringste Bewegung des Sträubens machte. Wohl eine halbe Stunde lang ritt ich die arabische Schule durch und fand bei dem Tier ein solches Verständnis, ein solches Zartgefühl selbst für den leisesten Druck, daß ich hätte glauben können, es verstehe mich vollkommen und unser beiderseitiger Wille sei ein einziges Wollen. Nachdem ich abgestiegen war, belohnte ich es durch Streicheln und die noch übrigen Datteln. Dann führte ich es in die dafür bestimmte Abteilung des Stalles, welche noch offen stand, und brachte es durch sanfte Worte so weit, daß es sich dort willig niederlegte. Als ich mich entfernte, folgte es mir mit den Augen und wieherte mir leise nach.
Als ich mich wieder in dem Hof befand, wurde ich von den Zuschauern gefragt, ob sie es wagen dürften, zu mir heranzukommen, und ich antwortete getrost bejahend. Dennoch traten sie aus Angst vor dem Pferd sehr zaghaft auf, und als ich sie ersuchte, mit mir in den Stall zu kommen, folgten sie mir nur, indem sie sich hinter meinen Rücken
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