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27 - Im Lande des Mahdi I

27 - Im Lande des Mahdi I

Titel: 27 - Im Lande des Mahdi I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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welche einen riesigen Turban auf dem Haupt trug und in einem höchst charakteristischen schlingernden, schaukelnden Gang mir über die Brücke entgegenkam. Sah ich recht, oder irrte ich mich? Das war auch ein Haushofmeister, aber nicht der unförmige des Paschas, sondern der spindeldürre meines türkischen Freundes Murad Nassyr in Kairo! Jetzt sah auch er mich und blieb, so wie ich, stehen.
    „Selim, bist du es denn wirklich?“ rief ich ihm zu.
    „Richtig, sehr richtig!“ antwortete er mir mit seiner schnarrenden Stimme, indem er mir von weitem eine seiner halsbrecherischen Verbeugungen machte. „Und Effendi, ist es denn auch richtig, daß du es bist? Dann sei Allah Dank, denn ich suche dich.“
    „Du suchst mich? Ich glaubte dich bei Murad Nassyr in Kairo. Es müssen wichtige Gründe sein, welche euch veranlaßt haben, die Stadt eher zu verlassen, als berechnet war.“
    „So meinst du, daß Murad Nassyr sich mit hier in Siut befindet?“
    „Selbstverständlich!“
    „Dann irrst du dich. Ich bin allein gekommen, um dich aufzusuchen.“
    „Warum das? Doch warte! Hier auf der Brücke können wir uns unmöglich von solchen Sachen unterhalten. Laß uns ein Kaffeehaus aufsuchen; das wird das beste sein.“
    „Das ist das allerbeste“, stimmte er bei, indem er eine Verbeugung machte und sich dann umdrehte, um mir weiter in die Stadt hinein zu folgen. Bald erblickten wir ein Kaffehaus und traten ein. Wir fanden einen stillen Winkel und ließen uns Limonade geben. Dann erkundigte ich mich:
    „Also, warum bist du allein gekommen, um hier nach mir zu suchen?“
    „Weil mein Herr es mir befahl“, lautete die nicht eben geistreiche Antwort.
    „Und welche Absicht hat er dabei?“
    „Du sollst nicht allein hier sein.“
    „Ah! Glaubt Murad Nassyr etwa, daß ich mich fürchte?“
    „Das nicht; aber es ist auf jeden Fall besser, wenn ich bei dir bin. Ich war der berühmteste Krieger meines Stammes und nehme es, wie du weißt mit allen Helden des Weltalls auf –“
    „Aber nur mit keinem Gespenst“, unterbrach ich ihn.
    „Scherze nicht, Effendi! Gegen Geister kann man sich nicht mit Flinte und Messer verteidigen; da helfen nur Stoßgebete.“
    „Aber es waren ja keine Geister!“
    „Der eine Zufall! Es konnten auch wirkliche Seelen von wirklichen Abgeschiedenen sein, und die kann man nicht erschießen, weil sie schon tot sind. Ich habe meine Pflicht getan und an der Tür auf der Lauer gelegen. Sende mir nur einmal leibhaftige, lebendige Feinde, etwa fünfzig oder hundert oder meinetwegen tausend! Du sollst sehen, wie mein Heldenarm unter ihnen aufräumt! Mein Mut ist wie der Sturm der Wüste, der alles niederreißt, und vor meiner Tapferkeit erbeben selbst die Felsen. Wenn ich im Kampf meine Stimme und meinen Arm erhebe, so rennen selbst die Tapfersten davon, und vor dem Brüllen meines Gewehres hält kein Verwegener stand. Darum sendet mich Murad Nassyr zu dir, damit du sicher wohnen solltest unter dem Schilde meines Schutzes und dem Dache meiner Gönnerschaft.“
    „Ich meine aber, es muß noch eine andere Absicht vorliegen.“
    „Da irrst du dich. Ich weiß nur, daß ich dich beschützen soll, und alles andere ist mir unbekannt.“
    Ich sah dem alten, feigen und doch so gutmütigen Schlagotodro an, daß er die Wahrheit sprach. Aber Murad Nassyr hatte jedenfalls einen ganz anderen Grund als den höchst lächerlichen, seinen ‚Richtig, sehr richtig‘ mir zum Schutz zu senden. Welcher Grund konnte das sein? Ich sann hin und her und fand nur einen einzigen Gedanken, welcher sich als stichhaltig erwies: Der Türke traute mir nicht. Glaubte er vielleicht, daß ich ihm, nachdem er für mich bezahlt und mir außerdem noch eine kleine Summe gegeben hatte, durchbrennen werde? Das wäre ein schändliches Mißtrauen gewesen, zu welchem ich ihm nicht die geringste Veranlassung gegeben hatte. Oder lag es wohl in den gegebenen Verhältnissen, daß ich, wenn ich mich allein in Siut befand, ihm ganz ohne alle Absicht einen Strich durch seine geschäftlichen Absichten machen könnte? Nun, dann hätte er nur aufrichtig sein und mir sagen sollen, welche Art von Plänen er im Auge hatte. War eines von beiden, oder auch beides der Fall, so schien mir Selim, so weit ich ihn kannte, nicht der Mann zu sein, mich von der Ausführung eines Entschlusses, von einer Tat zurückzubringen, die ich für gut und richtig und also für geboten halten würde. Mit einem Wort, ich hatte das aufrichtige Gesicht meines dicken Türken nicht

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