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27 - Im Lande des Mahdi I

27 - Im Lande des Mahdi I

Titel: 27 - Im Lande des Mahdi I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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mehr vor Augen; ich betrachtete ihn jetzt aus der Ferne, und da wollte mein Vertrauen wankend werden. Er erschien mir berechnender und egoistischer als vorher, und es stieg eine Ahnung in mir auf, daß es geraten sei, vorsichtiger als früher mit ihm zu verfahren. Dabei dachte ich an den Raïs Effendina. Dieser hatte sich mir in jeder Beziehung so offen gegeben. Warum hatte er sich verschlossen, sich zurückgezogen, warum war er still geworden, sobald der Name Murad Nassyr erwähnt worden war? Das mußte doch einen Grund haben, einen Grund, welcher nicht in dem einen und nicht stichhaltigen Umstand lag, daß der Emir glaubte, den Namen des Türken schon einmal gehört zu haben. Nun, die Ankunft des letzteren war in einigen Tagen zu erwarten, und dann hoffte ich, Gelegenheit zu finden, über seine Verhältnisse und Absichten klar zu werden. Bis dahin mußte ich mir die Anwesenheit und den Schutz des ‚Helden‘ Selim gefallen lassen. Dieser mochte, während ich diese Gedanken in mir erwog, Langeweile fühlen, denn er unterbrach das Schweigen durch die Frage:
    „Warum bist du so still geworden? Ist es dir nicht recht, daß ich gekommen bin?“
    „Es ist mir gleich, ob du dich in Kahira oder hier befindest“, antwortete ich. „Nur befürchte ich, daß du dich in Siut, wo du keine Beschäftigung hast, langweilen wirst.“
    „Keine Beschäftigung? Langweilen? Das denke ja nicht! Ich habe ja dich hier, und die Aufgabe, dein Beschützer zu sein, wird mir genug Beschäftigung bringen. Ich darf dich nicht verlassen; Murad Nassyr, mein Herr, hat es mir befohlen.“
    „Ah! So willst du wohl auch bei mir wohnen?“
    „Natürlich! Wo hast du ein Unterkommen gefunden?“
    „Im Palast des Paschas. Ich weiß nicht, ob man dich dort gern aufnehmen wird.“
    „Zweifelst du etwa daran? Ja, du bist leider ein Ungläubiger und weißt also nicht, daß der Islam jedem seiner Anhänger die größte Gastfreundlichkeit gebietet. Außerdem bin ich, als der größte Held meines Stammes, ein berühmter Mann, den selbst der Vizekönig willkommen heißen würde. Ich werde meinem Wirt sagen, daß ich ihn und meinen Freund verlassen muß, um in den Palast zu ziehen.“
    „Ah, einen Freund hast du bei dir?“
    „Ja. Ich lernte ihn auf dem Schiff kennen, und er stieg mit mir hier aus, um mit mir zusammen zu wohnen. Nun aber werde ich ihn verlassen.“
    „Was ist er?“
    „Ein Händler, welcher in Siut Einkäufe machen will. Bleibe eine Weile hier sitzen! Ich werde sofort zu ihm gehen, um ihn zu benachrichtigen.“
    „Warte damit noch, bis wir erfahren, ob man bereit ist, dich im Palast aufzunehmen.“
    „Das brauchen wir gar nicht erst zu erfahren und zu versuchen, denn es kann gar kein Zweifel darüber herrschen.“
    „Möglich. Aber dennoch will ich sichergehen. Ich denke, du hast nichts dagegen, daß wir uns zunächst in den Palast begeben.“
    „Richtig, sehr richtig! Ich folge den Stapfen deiner Füße. Laß uns aufbrechen.“
    Es war mir gar nicht lieb, für ihn um Aufnahme bitten zu müssen; aber ich war gezwungen, mich darein zu finden, denn dieser ‚größte Held seines Stammes‘ wich gewiß keinen Augenblick von mir. Ich bezahlte also, und dann brachen wir nach dem Palast auf. Dort angekommen, sah ich den dicken Haushofmeister unter derselben Tür stehen, an welcher er mich und den Raïs Effendina bei meiner Ankunft empfangen hatte. Er machte mir eine sehr tiefe Verneigung und warf einen fragenden Blick auf meinen Begleiter. Als ich ihm dessen Nahmen genannt und ihm gesagt hatte, daß derselbe bei mir zu bleiben wünsche, meinte er schnell und im gefälligsten Ton:
    „Effendi, laß ihn zu mir! Ich habe dich verkannt, und darum bist du zum Stallmeister gegangen. Ich erkenne, daß deine Anwesenheit die Ehre unseres Hauses ist, und bitte dich, mir zu erlauben, meinen Fehler an diesem Manne gut machen zu dürfen.“
    Das Anerbieten kam mir sehr gelegen, und ich sagte also zu. Wenn Selim von dem dicken Schwarzen beherbergt wurde, so wohnte er nicht direkt bei mir und konnte mich weniger belästigen. Er war auch selbst einverstanden und machte mir dies durch die Worte bemerklich:
    „Siehst du, daß ich recht hatte, Effendi! Der Vorzug meiner Eigenschaften wird überall bewundert, und wo ich erscheine, finde ich die Türen aller Häuser und Zelte offen. Bevor ich aber in diese gesegnete Wohnung trete, muß ich mich für kurze Zeit entfernen, um mich von meinem Wirt und meinem Gefährten zu verabschieden. Bald werdet ihr mein

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