27 - Im Lande des Mahdi I
war tot und bin wieder lebendig geworden. Das habe ich dir zu verdanken.“
„Effendi, hast du bemerkt, wie fest ich gehalten habe, als du an den Riemen hingst?“ fiel Selim plötzlich ein. „Die andern wollten loslassen, und dann wärst du in das Loch zurückgestürzt und nie wieder herausgekommen. Ich aber hielt fest, und so hast du es nur mir zu verdanken, daß du das Licht des Tages wieder zu sehen bekommst. Da bist du nun hoffentlich überzeugt, daß ich ein starker Beschützer und ein kräftiger Beschirmer bin!“
„Überzeugt bin ich allerdings“, lachte ich und wandte mich ab.
Jetzt stiegen wir auf und ritten nach der Stadt. Der Haushofmeister ersuchte uns, über das Vorgefallene zu schweigen; er befürchtete, sich an seiner Ehre gekränkt zu sehen, falls unser Abenteuer in die Öffentlichkeit dringen sollte. In Beziehung auf das Mittagsmahl waren wir zufrieden. Der Stallmeister und ich mußten als Gäste bei ihm und Selim speisen, und ich muß sagen, daß wir vier so viel vorgesetzt bekamen, daß sich dreißig Personen hätten satt essen können; aber auch nur in dieser Massenhaftigkeit allein bestand der Vorzug dieses Fest- und Freudenessens.
Es war mir ein Spaß, Selim dabei zu beobachten. Bei Murad Nassyr hätte er es nicht wagen dürfen, sich mit an den Tisch zu setzen; hier aber war er Gast, also ein Herr, welcher bedient wird. Sein Gesicht strahlte vor Wonne und Hammelfett, und er floß über von Höflichkeiten und Verheißungen. Er erzählte seine Abenteuer und rechnete uns alle seine Vorzüge an den Fingern her. Kurz und gut, er befand sich so in seinem Fahrwasser und unterhielt uns infolgedessen in einer so prächtigen Weise, daß wir sitzen blieben, bis der Abend dämmerte. Wir konnten also aufstehen, um uns sofort wieder zum Nachtmahl niederzulassen. Der Dicke hatte während dieser Zeit so viel gegessen, daß die ihm von mir vorgeschriebenen Verbeugungen beinahe unmöglich wurden.
Ich hatte eigentlich vorgehabt, am Nachmittag die Krokodilshöhle von Maabdah zu besuchen, mußte dies aber nun auf den nächsten Morgen verschieben. Der Haushofmeister versprach mir, die dazu nötigen Vorbereitungen anzuordnen. Ich war höchst begierig, diesen Begräbnisplatz von Krokodilen, welche vor zwei- oder dreitausend Jahren einbalsamiert wurden, kennenzulernen.
VIERTES KAPITEL
Unter der Erde
Krokodile einbalsamiert? Jawohl! Die alten Ägypter balsamierten nicht nur menschliche Leichen, sondern auch diejenigen von Krokodilen, Stieren, Katzen, Wölfen, Ibissen, Sperbern, Fledermäusen und verschiedenen Fischarten ein. Sie glaubten an deren Fortdauer nach dem Tod und waren daher bestrebt, den Leib zu erhalten, damit die abgeschiedene Seele denselben bei ihrer Rückkehr vorfinden möge. Um die Leiche zu konservieren, wurde die Bauch-, Brust- und Kopfhöhle derselben mit einer Masse angefüllt, welche vorzugsweise aus einer Art Asphalt bestand, welche den Namen Mumiya führte. Aus diesem Grund werden diese Dauerleichen Mumien genannt.
Man streckte die Leichen lang aus und legte ihnen die Hände an die Seiten oder kreuzte sie über der Schoßgegend. Jedes einzelne Glied wurde besonders in Leinwand gehüllt und dann auch der ganze Körper mit einer Menge von Binden umwunden, dann legte man sie, je nach dem Stand, welchem sie angehört hatten, entweder in hölzerne Särge, die manchmal zwei- oder dreifach waren, oder in steinerne Sarkophage. Die Armen wurden uneingesargt begraben oder im Sand verscharrt.
Es gibt mehrerer Arten von Mumien. Die ältesten hat man in Memphis gefunden; sie sind schwarz und so ausgetrocknet, daß sie sehr leicht zerbrechen. Die Mumien von Theben haben eine gelbe, matt glänzende Farbe, und die Nägel sind mit Henna gefärbt, ein Gebrauch, welcher bei den orientalischen Frauen noch heute sehr beliebt ist. Die älteste von uns gefundene Mumie ist diejenige des Königs Merenre, welcher vor weit über viertausend Jahren lebte. Viele der Mumien tragen Ringe und anderes Geschmeide, auch findet man Proben von Früchten und Getreide bei ihnen.
Leider ist schon seit Jahrhunderten mit den altägyptischen Totenstädten in einer Weise verfahren und in ihnen gehaust worden, die man tief beklagen muß, noch in neuerer Zeit haben die plündernden Araber in den ‚Familienverhältnissen‘ der einbalsamierten Könige und Fürsten, indem sie dieselben aus den Särgen nahmen und untereinander warfen, eine ganz heillose Verwirrung angerichtet. Man handelte bereits im Mittelalter mit Mumien. Es
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