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27 - Im Lande des Mahdi I

27 - Im Lande des Mahdi I

Titel: 27 - Im Lande des Mahdi I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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nur drei von uns in die Höhle gehen. Ich zahle für die Person zehn Piaster, zusammen also dreißig. Bin ich am Schluß mit dir zufrieden, so bekommst du noch ein Bakschisch von zehn Piastern.“
    Das waren in Summa acht Mark, für einen ägyptischen Tagedieb und die Zeit von zwei Stunden gewiß eine hinreichende Bezahlung. Er aber tat beleidigt und rief aus:
    „Herr, wie kannst du mir das bieten! Die Höhle ist ungesund; ich opfere den Fremden mein Leben, und wenn ich nicht mit euch gehe, so werdet ihr das Licht des Tages nicht wieder erblicken.“
    „Wir werden es wiedersehen, obgleich wir auf deine Begleitung verzichten, denn wir werden einen andern Führer bekommen.“
    „Ihr bekommt keinen, denn ich bin der einzige.“
    „Lüge nicht. Jeder Einwohner dieses Dorfes ist in der Höhle gewesen und kann uns als Führer dienen. Ich werde es dir gleich beweisen.“
    Ich gebot den beiden Reitknechten, andere Leute zu holen, welche keine solche Ansprüche machten. Sie entfernten sich. Kaum aber waren sie eine kleine Strecke fort, so rief ihnen der Mann zu, zurückzukommen, und fragte mich, ob ich hundert und fünfzig, dann hundert, achtzig usw. zahlen wollte, aber ich antwortete:
    „Ich bleibe bei meinem Wort. Ich gebe dreißig und dann als Bakschisch noch zehn, aber auch nur dann, wenn wir mit dir zufrieden sind.“
    „So muß ich mich fügen. Aber Allah mag es dir verzeihen, daß du die Sorge eines Armen vermehrst! Ich an deiner Stelle hätte dreihundert, also zehnmal mehr, gegeben.“
    „Da du nicht an meiner Stelle bist, so wirst du mich wohl selber zahlen lassen. Doch habe ich ganz und gar nichts dagegen, wenn du die Güte haben willst, dies für mich zu tun.“
    „Herr, dein Herz ist hart, und deine Rede klingt wie zwei Steine, welche man gegeneinander schlägt. Kommt, ich werde euch führen.“
    Er schritt voran, und wir folgten ihm. Wir gingen durch das nicht große Dorf und gelangten bald an den Fuß der steilen Höhe, jenseits welcher sich die Wüste bis zum roten Meer erstreckt. Dort lag ein Begräbnisplatz mit dem kuppelförmigen Grabmal eines Fakir. Vor demselben kniete auf dem Gebetsteppich ein Mann. Als er bei unserer Annäherung uns das Gesicht zuwendete, erblickte ich so wahrhaft ehrwürdige Züge, wie ich sie noch selten gesehen hatte. Dieses Gesicht wurde von einem schneeweißen Bart eingerahmt, welcher bis zum Gürtel niederfiel.
    Unser Führer blieb stehen, um sich vor diesem Patriarchen tief zu verneigen und, die Hände über die Brust gekreuzt, ihm zu sagen:
    „Allah segne dich und sende dir Gnade und Leben, o Mukaddas (Heiliger). Dein Weg möge zum Paradies führen!“
    Der Alte erhob sich, trat uns langsam näher, warf einen forschenden Blick auf uns und antwortete dem Grüßenden:
    „Ich danke dir, mein Sohn! Auch dein Weg führe zur ewigen Wohnung des Propheten! Du willst nach der Höhle?“
    „Ja. Ich soll sie diesen Fremden Zeigen.“
    „Tu es, damit sie erkennen, wie nichtig alles Irdische ist. Mag man dem Leib eine Dauer von Jahrtausenden geben, er muß doch zerfallen, damit Erde zur Erde, Staub zum Staub komme. Nur Allah allein ist ewig und hat nur dem Geist der Sterblichen erlaubt, an der Unendlichkeit teilzunehmen.“
    Er wandte sich ab, drehte sich aber, wie von einem plötzlichen Einfall getrieben, wieder um, nahm mich scharf in die Augen, trat nahe zu mir heran und sagte:
    „Was ist das für ein Gesicht! Was sind das für Züge, für Augen. Welche Gedanke wohnen hinter dieser Stirn! Ich möchte sie ergründen und dann in deine Zukunft blicken, denn mir ist die Gabe der Weissagung verliehen. Oder glaubst du nicht, daß Allah einem Sterblichen gestattet, in die Ferne zu blicken?“
    Diese Frage war an mich gerichtet; ich antwortete:
    „Gott allein weiß, was geschehen wird.“
    „Er weiß es, aber er teilt es zuweilen einem seiner Gläubigen mit. Ich werde es dir beweisen. Ich kann deinem Gesicht nicht wiederstehen; es zieht mich an, wie die Sonne den Halm gen Himmel richtet. Reiche mir deine Hand! Ich will sehen, ob ich in den Linien derselben das bestätigt finde, was ich in deinen Zügen lese.“
    Also Chiromantie! Wer glaubt noch an solchen Humbug! Und doch sah dieser ehrwürdige Patriarch ganz und gar nicht einem Schwindler, einem Hokuspokusmacher ähnlich. Was sollte ich machen? Ihn durch eine Zurückweisung kränken oder gar beleidigen? Er kam meinem Entschluß zuvor, indem er meine Hand ergriff und die innere Fläche derselbe seinen Augen näherte. Nachdem er die

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