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27 - Im Lande des Mahdi I

27 - Im Lande des Mahdi I

Titel: 27 - Im Lande des Mahdi I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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bin.“
    „Laß dich nicht auslachen. Du lebst. Wo hast du die Beine? Stehst oder sitzt du im Sand?“
    Auf die Lage seiner Beine kam viel an. Saß er, so war der Schacht wahrscheinlich nicht tief; hatte er sie aber in senkrechter Richtung, so steckte er im Sand über einem gähnenden Schlund.
    „Ich sitze“, antwortete er zu meiner Freude, „auf einem Fußboden von Ziegeln.“
    Das erleichterte mir das Herz. Es war kein tiefer Schacht vorhanden, sondern mein Dicker saß in einem waagerechten, unterirdischen Gang, und das senkrechte, viereckige Loch, durch welches er gebrochen war, hatte diesem Gang zur Ventilation gedient.
    „Steh einmal auf!“ gebot ich ihm. „Es wird dir nicht schwerfallen, da der Sand dich nicht tief bedeckt.“
    Er gehorchte; aber es wurde ihm doch nicht so leicht, wie ich gedacht hatte. Die Enge des Raumes und die Schwere seines Körpers hinderten ihn. Endlich brachte er es doch fertig. Er stand, und ich konnte mit meinem hinabgestreckten Arm beinahe seinen Kopf erreichen. Dabei bemerkte ich, daß meine Sandunterlage hinreichende Festigkeit besaß; der lockere Teil derselben war hinabgestürzt. Der Dicke seufzte tief, tief auf und rief:
    „O Allah, o Himmel, o Mohammed, ich bin also wirklich nicht tot; ich lebe; ich werde heimreiten und einen Hammel essen! Effendi, ich sehe nur dich allein. Wo sind die andern?“
    „Sie stehen hinter mir, und du wirst sie bald zu sehen bekommen. Kannst du klettern?“
    „Nein. Meinst du, daß ich eine Katze bin?“
    „So komme ich hinab, um dich zu heben.“
    „Dann bin ich oben, und du bist unten. Wie bringen wir dann dich hinauf?“
    „Ich klettere an dem Riemen empor. Warte einen Augenblick!“
    Ich stand auf und ging zu den andern. Als ich ihnen das Nötige mitgeteilt hatte, wuchs ihr Mut, und sie folgten mir an das Loch. Dort wurden die Riemen doppelt genommen und, während sie dieselben oben festhielten, hinuntergelassen. An diesem Strang kletterte ich hinab. Als ich nun neben dem Dicken stand, füllten wir den Raum, so weit derselbe die Ziegelwände hatte, vollständig aus. Wir konnten uns kaum bewegen, und darum hatte ich große Mühe, dem Dicken die Riemen um die Brust und unter den Armen hindurch auf dem, Rücken festzuschnallen.
    Nun sollte er nach oben geschafft werden. Den schweren Mann bloß zu ziehen, das ging nicht; der Sand hätte nachgegeben und uns verschüttet; ich mußte heben. Aber wie das bewerkstelligen, da ich mich kaum zu bewegen vermochte? Es gab nur eine einzige Art der Ausführung. Ich stand hinter dem Schwarzen; er machte seine Beine so weit wie möglich auseinander, und ich ließ mich langsam niedergleiten, um mich zwischen denselben in den Sand zu setzen, so wie er vorhin gesessen hatte. Dies gelang. Dann mußte er auf meine Schultern steigen, und während die vier Männer oben zogen, erhob ich mich in dem gleichen Tempo unten, indem ich mich mit den Händen und Ellbogen an den Mauern stützte. Das war ein schweres, saures Stück Arbeit. Die oben stehenden Männer durften ihre volle Kraft nicht anwenden, da sonst der Sandboden nachgegeben hätte, und darum hatte ich den größten Teil der Last des schweren Mannes zu tragen. Aber es mußte gehen, und als ich endlich aufrecht stand, ragte sein Oberleib vollständig aus dem Loch empor, so daß sie ihn durch einen letzten, kräftigen Ruck vollends hinausbefördern konnten. Sie hatten so stark gezogen, daß er sich einige Mal überkugelte und dann stöhnend liegen blieb. Dies war auf meine Weisung in ganz guter und wohlbedachter Absicht geschehen, da bei einem langsamen Hinaussteigen des unförmlichen Menschen ich der Gefahr des Verschüttens ausgesetzt gewesen wäre. Dann wurden mir die Riemen herabgelassen, und ich turnte mich an denselben ins Freie, ganz unbekümmert darum, ob die Ränder und Wände des Loches unter meinem Gewicht nun einstürzten oder nicht. Als ich oben ankam, hatte der Dicke sich eben von dem gewaltigen Ruck erholt; mit welchem man ihn aus dem Loch geschleudert hatte. Er richtete sich in sitzende Stellung auf, betastete seinen Leib und seine Beine, um zu erfahren, ob vielleicht etwas an ihnen entzwei gegangen sei, und als er sich von dem Wohlbefinden seines Körpers überzeugt hatte, richtete er sich in die Knie auf, blickte mit dem Gesicht nach Mekka und betete die heilige Fattha, die erste Sure des Koran. Dann erst stand er vollends auf, trat zu mir, ergriff meine Hände und sagte:
    „Effendi, ich war in der Hölle und sehe den Himmel wieder; ich

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