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27 - Im Lande des Mahdi I

27 - Im Lande des Mahdi I

Titel: 27 - Im Lande des Mahdi I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Linien eine kurze Weile studiert hatte, gab er mir die Hand frei und sagte:
    „Diese Hand bestätigt alles, was dein Gesicht sagte. Deine Zukunft liegt eröffnet vor mir wie ein Haus, in dessen Tür ich trete, um mich in den Gemächern umzuschauen. Zweifelst du noch immer?“
    „Ja.“
    „So will ich dir Vergangenes und Gegenwärtiges sagen, damit du dann nicht an dem Kommenden zweifelst. Du trägst die Kleider eines Gläubigen und sprichst die Sprache der Moslemin; aber du bist nicht ein Anhänger des Propheten, sondern ein Christ.“
    Da er mich dabei fragend anblickte, so nickte ich bejahend. Er fuhr fort:
    „Es gibt viele Länder der Christen; ich sehe jetzt nur zwei. Jedes derselben wird von einem mächtigen Herrscher regiert, das eine von einem König und das andere von einem Kaiser. Beide bekriegen sich. Ich höre tausend Kanonen brüllen und sehe mächtige Reiterscharen gegeneinander rasseln. Der König siegt und führt den Kaiser gefangen mit sich fort. Dann erblicke ich auf dem Haupt des Königs eine Kaiserkrone und vernehme den Jubel seines Volkes. Auch du jubelst, denn du bist ein Sohn dieses siegreichen Volkes.“
    Wieder sah er mich an, als ob er eine Antwort erwarte, und wieder nickte ich, ohne ein Wort zu sagen, mit dem Kopf. Er sprach weiter:
    „Ich sehe ein Schiff mit vielen Segeln. Der Raïs desselben ist ein Schwert der Gerechtigkeit, und du bist sein Freund. Ihr werdet viele Menschen glücklich machen und Ruhm und Ehre ernten. Ist dir ein solcher Raïs bekannt?“
    „Ja“, antwortete ich, indem ich natürlicherweise an den Raïs Effendina dachte.
    „Ich habe dir die Wahrheit gesagt und könnte dir nun auch die Zukunft zeigen. Aber da du gezweifelt hast, so werde ich schweigen und dir nur einiges mitteilen, weil es dich vor großem Unheil, vielleicht gar vor dem Tod bewahrt. Das Auge meiner Seele erblickt einen Sohn der Rachsucht, welcher dir nach dem Leben trachtet. Er war dir öfter nahe, aber Allah beschützte dich. Wenn du ihm entgehen willst, so reise jetzt nicht weiter. Es ist Vollmond; bleibe bis zur Zeit des nächsten Viertels da, wo du dich jetzt befindest! Das ist es, was ich dir mitteilen wollte. Glaube mir, oder glaube mir nicht; mich erfreut oder betrübt es nicht; dir aber wird es, je nachdem du handelst, Segen oder Unglück bringen. Allah geleite dich!“
    Er drehte sich um, kehrte zu seinem Teppich zurück und kniete auf demselben nieder, um sich wieder ins Gebet zu versenken. Er hatte keine Belohnung gefordert; sein Verhalten ließ vielmehr erwarten, daß er jede Gabe zurückweisen werde. Darum störte ich ihn nicht und folgte mit den anderen dem Führer, welcher jetzt wieder vorwärts schritt.
    Eine seltsame Begegnung. Er hatte gewußt, daß ich ein Christ war; er hatte mir, wenn auch nicht in direkter Weise, erklärt, daß ich ein Deutscher sei. Seine Hindeutung auf den Emir stimmte ebenso. Und dann die Warnung vor dem ‚Sohn der Rachsucht‘, welche Bezeichnung ich auf den Muza'bir beziehen mußte. Das stimmte alles, alles und ich konnte auch nicht annehmen, daß ich ihm bekannt sei. Mir ist jeder Aberglaube fern und fremd, aber dieser alte Mann hatte doch einen nicht ganz gewöhnlichen Eindruck gemacht. Ich fragte im Weiterschreiten den Führer nach dem Greis; er antwortete:
    „Er ist ein heiliger Fakir, welcher wirklich in die Zukunft zu blicken vermag. Er wandert von Ort zu Ort; die Predigt ist seine Arbeit und das Gebet seine Nahrung; sein Leib wohnt auf der Erde, sein Geist aber befindet sich schon jenseits dieser Grenzen.“
    Das klang nicht so, als ob ich es mit einem Betrüger zu tun gehabt hätte, und der Alte hatte auch nicht den Eindruck eines solchen auf mich gemacht. Aber was sollte ich denn sonst denken? Ich beschloß, diese Angelegenheit einstweilen ad Acta zu legen und sie dann bei passender Gelegenheit oder geeigneter Stimmung wieder hervor zu suchen, denn jetzt hatte ich der Krokodilshöhle und dem Weg nach derselben meine Aufmerksamkeit zu schenken.
    Dieser Weg war keineswegs ein bequemer. Er führte steil empor zum Plateau, welches weithin mit glitzernden, durchsichtigen Kristall-Rhomboiden bedeckt war, die, ähnlich dem isländischen Spat, eine mehrfache Strahlenbrechung zeigten. Dabei gab es riesige schwarze Feuersteinkugeln, neben- und übereinanderliegend, welche der Gegend den Anschein gaben, als ob hier zwei mit riesigen Kanonen bewaffnete Gigantenheere einander eine Schlacht geliefert hätten.
    Auf diesem Plateau erhob sich ein Hügel, in

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