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27 - Im Lande des Mahdi I

27 - Im Lande des Mahdi I

Titel: 27 - Im Lande des Mahdi I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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der Eingang zur Hölle; sie hat den Haushofmeister verschlungen. Das ist die Mondfinsternis von gestern; die hat es ihm verkündet!“
    „Richtig, sehr richtig!“ stimmte Selim bei. „Nun ist er in die Hölle gestürzt und wird dort braten in alle Ewigkeit.“
    „Unsinn!“ antwortete ich. „Es hat hier eine Höhlung gegeben, deren Decke unter den Hufen des stampfenden Pferdes eingestürzt ist. Nun kommt es darauf an, welche Tiefe dieselbe hat. Ist es ein Schacht, welcher senkrecht niederfährt, dann steht es freilich schlimm; ist es aber ein waagerechter Stollen oder Gang, so holen wir den Mann gewiß heraus.“
    „Es ist kein Stollen, sondern ein Schacht, ein Loch, welches gerade hinab in das Feuer der Hölle führt“, behauptete der Stallmeister. „Der Haushofmeister ist verloren. Wir werden weder seinen Leib noch seinen Geist jemals wiedersehen.“
    „Sein Geist wird dir wohl überhaupt noch nicht erschienen sein. Kommt mit zu dem Loch! Wir müssen es untersuchen!“
    „Allah behüte mich! Ich bin ein gläubiger Sohn des Propheten und werde mich hüten, dem Eingang zur Hölle nahe zu kommen.“
    „Richtig, sehr richtig!“ stimmte Selim in seinem schnarrenden Ton bei. „Allah schütze mich vor dem neunzigmal geschwänzten Teufel und der Hölle, deren Flammen die Haut keines frommen Menschen widerstehen kann!“
    „Schweig!“ zürnte ich. „Ihr sprecht vom Eingang und vom Feuer der Hölle. Habt ihr jemals ein Feuer gesehen, welches keinen Rauch hat? Wenn dort unten die Hölle wäre, dann müßte das Loch rauchen. Siehst du das nicht ein?“
    Dies Argument hatte die gewünschte Wirkung, welche sich noch steigerte, als ich hinzufügte:
    „Du willst der größte Held aller Stämme der Wüste sein und fürchtest dich vor einem kleinen Loch im Erdboden. Schäme dich! Wenn sich hier die Hölle wirklich öffnete, so müßte es nicht nur Rauch, sondern eine fürchterliche Hitze geben; da nun weder das eine noch das andere zu bemerken ist, so ist eure Angst nicht bloß lächerlich, sondern sie kann dem Haushofmeister sogar verhängnisvoll werden. Wir können ihn wahrscheinlich heraufholen; wenn wir aber damit zögern, müssen wir befürchten, die Schuld an seinem Tod auf unser Gewissen zu laden. Seid also keine Feiglinge, und kommt mit heran!“
    Während ich das sprach, näherte ich mich der Unglücksstelle. Die andern hatten Mut gewonnen und kamen langsam herbei. Ich blieb ungefähr zwei Ellen von dem Rand des Loches stehen und bog mich vor, um hinabzublicken. Die Seiten der Öffnung bestanden aus Sand. Mein Auge reichte nicht tief genug hinab. Ich trat also noch einen Schritt weiter vor; da gab der Boden unter meinen Füßen nach, und ich fand kaum Zeit, mich zurückzuwerfen, so war die Stelle, an welcher ich gestanden hatte, auch in die Tiefe geglitten.
    Die anderen retirierten schleunigst und Selim rief mir zu:
    „Zurück, zurück, Effendi! Bald hätte es dich auch gepackt. Es ist wirklich die Hölle, vielleicht diejenige Abteilung von ihr, in welcher die Seelen der Ungläubigen im ewigen Frost zittern müssen. Da gibt es keinen Rauch. Laß uns die heilige Fattha beten und dann heimkehren, um Allah zu preisen, daß wir nicht auch versunken sind!“
    Sie gingen zu den Pferden; ich kam ihnen aber zuvor, zog den Revolver heraus und drohte:
    „Bei eurem Propheten und allen Kalifen, ich schieße den, welcher aufsteigt, gleich wieder herunter! Laßt doch nur mit euch reden!“
    Das schüchterte sie wohl ebenso sehr ein wie der Gedanke an die Hölle; sie traten zurück, und der Stallmeister antwortete:
    „Effendi, du willst der Mörder deines Gastfreundes werden? Das ist nicht recht von dir! Doch wollen wir hören, was du uns noch zu sagen hast.“
    Höchstwahrscheinlich mußte dieses lange Verhandeln und Zögern dem Verunglückten verhängnisvoll werden; aber ich allein konnte ihm keine Hilfe bringen; ich brauchte den Beistand der andern und mußte sie zu meinen Absichten bereden. Endlich hatte ich sie so weit. „Nehmt den Pferden die Zügel“, sagte ich, „und alle Riemen ab. Wenn wir dieselben aneinander schnallen oder binden, werden wir das bekommen, was mir nötig ist.“
    Sie machten sich sofort an die Arbeit, bei welcher keine Gefahr vorhanden war. Bald war das Riemenzeug zu einem genügend langen Streifen vereinigt, dessen eines Ende ich mir auf dem Rücken an den Gürtel schnallte; das andere sollten sie festhalten, um mich zurückziehen, sobald ich Gefahr lief, einzubrechen. Nun gingen wir

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