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27 - Im Lande des Mahdi I

27 - Im Lande des Mahdi I

Titel: 27 - Im Lande des Mahdi I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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hatte ein jeder das Recht, die Gräber zu öffnen und die Toten davonzutragen. Erst Mehemed Ali tat diesem Treiben Einhalt, indem er den Mumienhandel als Monopol erklärte; doch hat der frühere Schacher nicht ganz aufgehört; er wird heimlich betrieben und ist zum Schmuggel geworden. Die Beduinen und Fellatah erbrechen die Mumienhallen und zerschlagen die Schädel der Leichen, welche wie bekannt, ein Stückchen Goldblech enthalten – das Überfahrtsgeld auf dem Totenfluß.
    Für unsere jetzige Zeit ist es kaum glaublich, daß sich sogar die Medizin der Mumien bemächtigte. Zunächst waren es die Alchimisten, welche den Stein der Weisen suchten, die ganze Schiffsladungen von Mumien bezogen. Diesen folgten die Elixierfabrikanten, welche sich mit der Herstellung eines Lebenssaftes beschäftigten. Man schrieb den Mumien und zerstückelten Leichenresten geheimnisvolle Kräfte zu. Gab es doch Gelehrte, welche behaupteten, daß man mit Stierblut, Menschenasche, Euphorbiensaft und Mumienstaub den Menschen auf künstliche Weise ‚herzustellen‘ vermöge!
    Die deutschen und österreichischen Drogengeschäfte bezogen die Mumien über Livorno und Triest. Im Anfang der siebziger Jahre kostete der Wiener Zentner Mumien fünfzig Gulden. Da der Schmuggel jetzt sogar mit Lebensgefahr verbunden ist, hat der Preis sich auf vier- bis fünfhundert Gulden erhöht, also verzehnfach. Dieser hohe Preis ist wohl der Grund, daß es gewisse Geschäfte gibt, welche falsche Mumien aus Erde fertigen. Glücklicherweise hat man den arzneilichen Unwert des Mumienstoffes mehr und mehr eingesehen so daß der Verbrauch sich jetzt nur noch auf einige Alpengegenden beschränkt, wo das ‚Mum‘ von den Landleuten als Heilmittel gegen Tierkrankheiten gebraucht wird.
    Am nächsten Morgen war ich schon zeitig zu dem Ausflug bereit. Der Stallmeister wollte mich begleiten, und Selim ging auch mit. Der dicke Haushofmeister hätte sich der Partie wohl angeschlossen, besaß aber infolge der unglückverheißenden Mondfinsternis kein rechtes Vertrauen in das Gelingen derselben. Er hatte es ja gestern erfahren, was es für Folgen bringt, wenn man die Warnung einer Mondverfinsterung verachtet. Daher blieb er daheim, wo er sich im Schutz seines Amulettes leidlich sicher fühlte.
    Zwei Reitknechte, welche uns rudern und bedienen sollten, brachten uns an den Fluß, wo ein kleines Boot für uns vor Anker lag. Es enthielt neben mehreren Kissen und anderen Bequemlichkeiten eine hinreichende Anzahl der notwendigen Wachsfackeln. Mit Zündhölzern hatten wir uns reichlich versehen. Auch Stricke und Schnüre waren für den Bedarfsfall mitgenommen worden.
    Es war ein wunderbar schöner Morgen, ein Morgen, wie er nur am Nil geboren werden kann. Der Nebel hatte sich gehoben, und auf dem Fluß lag ein leiser Duft, den die über die arabische Wüste herüberflutenden Sonnenstrahlen in einen durchsichtigen, goldflimmernden Schleier verwandelten, welchen die Nilfee um ihre Glieder schlang.
    Wir stießen vom Land und steuerten hinüber in die Mitte des Stromes. Abwärts ging es, an Mankabat vorüber, dann lag am linken Ufer Monsalud, am rechten aber Maabdah, wo wir anlegten. Von der letzten Nilüberschwemmungen her stand das Ufer noch ziemlich unter Wasser, doch gab es einen aus demselben ragenden Damm, auf welchem wir in das Dorf gelangten. Dieses liegt ungefähr eine halbe Wegstunde von dem Dschebel Abu Fehdah entfernt, dem Gebirgszug, in welchem sich die Höhlen befinden, die den alten Ägyptern als Begräbniskammern für ihre heiligen Krokodile dienten.
    In dem Dorf fragten wir nach einem Führer, denn ohne Führer ist es ganz unmöglich, sich in den verworrenen Höhlengängen zurechtzufinden. Ein Fremder, welcher sich da auf seine eigene Findigkeit verlassen wollte, würde Gefahr laufen, sich zu verirren und auf elende Weise zu ersticken oder zu verschmachten. Man brachte uns sehr bald einen Mann, welcher sich bereit erklärte, und die Höhle, deren eingehende Besichtigung höchstens zwei Stunden in Anspruch nimmt, zu zeigen. Als ich ihn fragte, was er dafür verlange, antwortete er:
    „Fünf Personen, für die Person vierzig Piaster, macht zweihundert Piaster.“
    Für zwei Stunden! So eine Forderung war mir denn doch noch nicht vorgekommen, obgleich man hier zu Lande jede Forderung wenigstens auf die Hälfte derselben reduzieren muß.
    „Schön!“ antwortete ich. „Jetzt habe ich gehört, wieviel du forderst; nun sollst du vernehmen, wie viel ich geben werde. Es werden

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