27 - Im Lande des Mahdi I
welchem wir eine sehr große Öffnung bemerkten. Dürre Mumienreste, Zeugfetzen, Knochen lagen da umher und ließen vermuten, daß dieses Loch der Eingang der berühmten Höhle sei. Der Führer bestätigte es; wir befanden uns an Ort und Stelle. Der Stallmeister hatte für drei Anzüge gesorgt, welche hier erforderlich waren; sie bestanden nur aus einer leinenen Hose und Jacke. Die Kleidungsstücke, welche wir jetzt trugen, konnten wir nicht anbehalten, da sie in der Höhle vollständig zerfetzt worden wären.
Nun stieg der Führer in das Loch, welches über zwei Meter senkrecht niederführte. Dann half er mir, dem Stallmeister und Selim hinab. Die Knechte, welche draußen blieben, schickten uns an einer Schnur die Leinenanzüge und alles andere Notwendige nach. Wir befanden uns in einem Dreivierteldunkel und wechselten nun die Kleider.
Selim, der ‚größte Held aller Stämme‘, war beim Anblick des engen Einganges merklich kleinlaut geworden. Unterwegs hatte er sich laut und eifrig mit den Reitknechten unterhalten und ihnen erzählt, daß er schon weit über hundert Totenhöhlen besucht habe. Dann war seine Sprachseligkeit verstummt, und als er jetzt neben mir stand, meinte ich, ihn seufzen zu hören.
Jetzt brannten wir die Fackeln an, von denen jeder eine brennende und zwei in Reserve erhielt, und sahen nun, wo wir uns befanden. Die Höhlung war hier unten weiter als oben und zeigte ein nach Norden gelegenes, enges Loch, in welches, wie der Führer uns bedeutete, wir zu kriechen hatten. Er kroch voran; Selim forderte mich auf, zu folgen, damit er den letzten mache. Ich aber traute dem langen Urian nicht. Wie leicht konnte die Furcht ihn bewegen, zurückzubleiben! Wenn er dann den Rückweg nicht fand, konnte er in schlimme Gefahr geraten. Er mußte also vor mir in das Loch, und ich kroch hinter ihm her.
Sobald ich mich, auf den Händen und Knien kriechend, in diesem engen Gang befand, war ich von einer heißen, stinkigen Luft umgeben, welche höchst abschreckend auf die Nase und die Lungen wirkte; ich fühlte eine ängstliche Beklemmung, deren ich nur mit Anstrengung Herr werden konnte. Und je weiter wir vorrückten, desto dicker und unausstehlicher wurde diese Luft.
„Allah il Allah!“ hörte ich den Stallmeister hinter mir seufzen.
„Gestern haben wir das Loch im Tell es Sirr für den Eingang zur Hölle gehalten; was für ein Eingang könnte dann dieser Stollen sein? Derjenige zur tausendfachen, zur tiefuntersten Hölle der Höllen. Warum kriecht man hier herein, während man draußen den hellen Tag und eine Luft der Erquickung hat?“
Schon nach kurzer Zeit wurde der Gang noch niedriger. Wir konnten uns nicht mehr auf den Knien und Händen fortbewegen, sondern wir mußten uns auf den Bauch legen und fortschieben. Da erklang vor mir die stöhnende Stimme Selims:
„Das ist fürchterlich, das treibt mir die Haare zu Berge; ich kann es nicht mehr aushalten!“
Der Führer rief ihm etwas zu, was ich wegen der großen Enge des Ganges nicht verstehen konnte, da es zu dumpf klang; darauf antwortete Selim in zornigem Ton:
„Was hast du mir zu befehlen! Du wirst bezahlt und hast zu schweigen und zu gehorchen! Ich fürchte mich nicht; ich nehme es sogar mit dem Teufel auf; aber dieser Gestank tötet mir die sanften Gefühle meiner Nase, und wenn diese engen, schwarzen Wände vollends zusammenknicken, so werde ich zerquetscht wie ein Fisch im Rachen eines Krokodils. Ich gehe nicht weiter mit; ich kehre um. Das Leben ist mir lieber als der Tod und der Duft eines Tschibuks köstlicher als dieser Geruch der Hölle. Ich will zurück. Laßt mich vorüber!“
Er rief das in einem Ton, als ob er schon nahe am Ersticken sei. Ich versuchte, ihn zu beruhigen, doch vergebens; er brüllte förmlich vor Wut und Angst, und es blieb uns nichts anderes übrig, als uns seinem Willen zu fügen. Da aber der Gang so eng war, daß er unmöglich an uns vorüber konnte, so war ich mit dem Stallmeister gezwungen, bis in die Vorhöhle zurückzukriechen. Dem Führer wurde bedeutet, da, wo er sich befand, auf uns zu warten. Da wir uns rückwärts bewegen mußten, wurde uns der Weg doppelt beschwerlich; als wir vorn ankamen und Selim sich aufrichten und eine bessere, wenn auch nicht ganz reine Luft atmen konnte, rief er unter einem tiefen Seufzer aus:
„Allah sei Dank! Noch einige Minuten, und ich wäre erstickt und dann später als Mumie eines Krokodiles gefunden worden. Nein, nein, keine Macht hätte mich einen Schritt weiter
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