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27 - Im Lande des Mahdi I

27 - Im Lande des Mahdi I

Titel: 27 - Im Lande des Mahdi I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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gekommen waren, mit einem schwarzen, klebrigen Überzug bedeckt, welcher sich durch Abkratzen entfernen ließ, worauf dann das glitzernde Quarzgestein zum Vorschein kam. Dieser Überzug besteht aus Mumienpech, welches infolge der Hitze nicht erstarren kann und so jenen penetranten Geruch verursacht.
    Während ich in den Trümmern herumsuchte, beobachtete mich der Führer von der Seite her. Ich fragte ihn, ob dies alles sei, was die Höhle bietet. Er gab eine bejahende Antwort.
    „Das ist unmöglich!“ entgegnete ich. „Es muß noch viel, viel mehr da sein in Kammern und Höhlen, die du mir nicht zeigst. Obgleich diese Höhle noch heute nicht vollständig erforscht ist, hat man vor noch nicht sehr langer Zeit die Zahl der Mumien, die sich in den bekannt gewordenen Räumen befanden, auf mehrere Hunderttausende geschätzt.“
    „Man hat dir falsch berichtet.“
    „O nein. Es sind Männer hier gewesen, deren Berichten man Glauben schenken muß. Die menschlichen Mumien waren höchst regelmäßig nach Totenbetten geordnet, wobei wechselweise eine kreuzweise über der anderen lag. Was die Krokodile betrifft, so hat es zehn Meter lange Mumien gegeben. Die kleinsten, welche nur einen halben Meter und weniger lang waren, lagen je zwanzig oder fünfzehn in Ballen, um welche Zweige und Wedel von Palmen gebunden waren. Solche Ballen gab es auch von Krokodileiern, von Schlangen aller Größen, von Fröschen, Eidechsen und Schwalben und anderen Vögeln. Es muß hier große Säle geben, welche von oben bis unten mit Mumien vollgepfropft waren, so daß man kaum durch die engen Zwischenräume kriechen konnte. Wo befinden sich die Säle, und wo sind die ungeheuren Mengen der Leichen hin?“
    Da trat er an mich heran, legte mir seine Hand an den Arm und antwortete:
    „Willst du Mumien kaufen?“
    „Nein.“
    „Warum kommst du dann in diese Höhle?“
    „Aus menschlicher Teilnahme.“
    „Und doch stellst du mir solche Fragen! Du hast mir dreißig Piaster geboten. Verlangst du dafür die Enthüllung solcher Geheimnisse? Was geht dich unsere Höhle an, und was kümmern dich die Mumien, welche sich deiner Ansicht nach in derselben noch befinden sollen! Du bist ein Franke und hast keinen Grund, mich zu verraten; darum will ich dir nicht zürnen wegen deiner Sparsamkeit, und dir etwas anvertrauen: Ich brauche deine dreißig Piaster nicht, denn ich bin reicher, als du denkst. Der heilige Fakir hat freundlich zu dir gesprochen und dich, was er niemals tat, in die Zukunft blicken lassen. Du mußt also ein Mann sein, den Allah liebt, und darum sollst du ein Andenken an diese Höhle haben. Warte eine kurze Zeit! Ich kehre bald zurück.“
    Er kroch mit einer Fackel durch ein Loch und ließ mich allein. Die meinige war niedergebrannt, und ich zündete mir an dem Stummel derselben eine neue an. Dann setzte ich mich auf den Körper einer Mumie, der der Kopf und die Beine fehlten. Welche Gedanken durchfuhren mich in diesem Augenblick der Einsamkeit! Der einzig Lebende mitten unter Leichentrümmern, tief im Innern der Erde! Wer war der Mann gewesen, auf dessen Leib ich hier saß? Er hatte gelebt, geliebt, gehofft und – gelitten. Vielleicht stand er an der Seite eines Pharao, und nun, nach vier Jahrtausenden, diente er einem Deutschen zum Schemel!
    Die Zeit verging; eine Minute nach der anderen verstrich, und der Führer kehrte nicht zurück. Hatte er mich durch seine Freundlichkeit getäuscht? Wollte er sich etwa für meine Sparsamkeit dadurch rächen, daß er mich hier sitzen ließ, damit ich, der ich den Weg nicht kannte, elend umkommen solle? Ein anderer wäre in diesem Fall verloren gewesen; ich aber besaß noch eine ganze Fackel und traute mir zu, in den Exkrementen der Fledermäuse meine Spur und durch dieselbe den Weg ins Freie zu finden. Das beruhigte mich. Aber mein Mißtrauen war unbegründet gewesen. Das Loch, in welchem der Mann verschwunden war, wurde hell; er kehrte zurück, in der einen Hand die Fackel und in der anderen ein kleines Paket, in feinstes Mumiengewebe gewickelt. Er legte mir dasselbe in die Hand, indem er sagte:
    „Das ist das Andenken, welches ich dir geholt habe. Es ist nur ein kleiner Teil einer Mumie, aber er erinnert dich ebensogut an mich, als wenn ich dich mit einer ganzen Leiche belästigte.“
    „Das soll ich nicht kaufen, nicht bezahlen, sondern du schenkst es mir?“ fragte ich.
    „Ja, ich schenke es dir.“
    „Darf ich den Grund erfahren? Es kann doch nicht allein deswegen sein, daß der heilige

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