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27 - Im Lande des Mahdi I

27 - Im Lande des Mahdi I

Titel: 27 - Im Lande des Mahdi I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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auch noch anderen bekannt?“
    „Nein. Der Urahne meiner Vorfahren hat sie entdeckt, und die Kunde davon ist auf die Nachkommen übergegangen. Ich bin der letzte derselben, und wenn ich zu Allah gehe, wird es keinen Menschen mehr geben, welcher das Geheimnis kennt.“
    „So willst du es niemandem mitteilen?“
    „Nein. Wenn es einer erführe, würden die Europäer kommen und die Särge ihres kostbaren Inhalts berauben, denn in denselben befinden sich außer den Leichen noch viele goldene Gegenstände, nach denen die Franken trachten. Es gibt da viele, viele Särge, weit mehr als zweihundert, und auf jeden ist eine Figur gemalt, welche ein Tuch auf dem Kopf trägt und eine Sichel oder ein krummes Messer in der Hand hat.“
    Das war eine höchst wichtige Bemerkung. Eine Sichel! Zu den Insignien der ägyptischen Könige gehörte der Chopesch (‚Schenkel‘), ein sichelförmiges Schwert, welches ebenso wie der Krummstab und die Geißel ein besonderes Attribut des Herrschers war. Sollten die Särge, von denen der Alte sprach, Königsleichen enthalten? Er hatte ein Kopftuch erwähnt. Die Könige trugen ein solches, und zwar in ganz eigenartiger Form und Weise.
    „Es sind Könige und Königinnen, Prinzen und Prinzessinnen, welche da begraben liegen“, sagte er. „Und an den Wänden gibt es Figuren und Zeichen, welche von den Franken Hieroglyphen genannt werden. Man kann einen ganzen Tag lang sehen und betrachten, ohne fertig zu werden.“
    Das sagte der Mann so gleichgültig! Und doch handelte es sich jedenfalls um Königsgräber, um Denkmäler und Hieroglyphen von allergrößter Wichtigkeit. Er allein kannte das Geheimnis und wollte es nicht verraten. Und doch welch ein Gewinn wäre diese Entdeckung für die Wissenschaft! War es denn gar nicht möglich, ihn zur Mitteilung zu bewegen? Ich gab mir alle Mühe, das Gespräch fortzusetzen und diesen Gegenstand festzuhalten. Er wich mir aus; ich faßte ihn wieder. So ging es eine Weile fort. Er mußte bemerken, wie lebhaft mich die Sache interessierte; er wurde nachdenklicher, brach ganz ab, betrachtete mich eine Weile, als ob er mein Inneres ergründen wolle, näherte dann seinen Kopf dem meinigen und fragte leise:
    „Sagst du die Wahrheit, wenn du behauptest, daß du keine Altertümer suchst?“
    „Ja.“
    „Und doch fragst du mich in dieser Weise aus?“
    „Das geschieht aus reiner Wißbegierde. Ich würde viel, sehr viel dafür geben, wenn ich diese Särge einmal sehen könnte.“
    „Welchen Nutzen würdest du davon haben?“
    „Ich werde es dir erklären. Ich habe viele, viele Länder besucht, um die Sprachen der Völker, welche da wohnen, kennen und sprechen zu lernen. Ich spreche auch die Sprachen solcher Völker, welche nicht mehr leben. Nun habe ich einige Bücher daheim, welche die Sprache und die Schrift derer behandeln, welche hier in den Mumiengräbern liegen. Ich habe mir viel Mühe gegeben, den Inhalt dieser Bücher zu verstehen, und weiß nicht, ob mir dies gelungen ist. Könnte ich deine Mumiensärge sehen, so wäre es mir möglich, die Probe zu machen, ob ich etwas oder ob ich nichts gelernt habe. Im ersteren Fall würde ich mich unendlich freuen.“
    Ich hatte mich in dieser Weise ausdrücken müssen, weil er mich sonst nicht verstanden hätte. Er wiegte sein greises Haupt hin und her und schien mit sich zu kämpfen und sagte dann wieder so leise, daß nur ich ihn verstehen konnte:
    „Effendi, ich habe in deine Vergangenheit und in deine Zukunft gesehen; ich kenne dich und weiß, daß ich dir vertrauen kann. Du sollst die Freude haben, nach welcher du dich sehnst. Doch mache ich die Bedingung, daß du bis zu meinem Tod zu keinem Menschen über dieses Geheimnis sprichst.“
    „Dann aber darf ich es anderen mitteilen?“
    „Dann ja, aber eher nicht. Du bist ein Christ; aber ich weiß, daß Allah dich liebt. Darum sollst du der Erbe dessen sein, was ich verschwiegen in mir getragen habe. Beute es dann ganz nach deinem Wohlgefallen aus. Ich habe nichts dagegen.“
    „Und wann wirst du mir meinen Wunsch erfüllen?“
    „Morgen, denn heute habe ich keine Zeit, da ich das Opfer des Gebetes bringen muß. Doch werde ich für einige Minuten zu dir kommen, um dir das Nötige mitzuteilen. Wo finde ich dich?“
    „Im Palast des Pascha. Ich bin der Gast des Stallmeisters, welcher hinter dir auf der Bank sitzt. Also ich kann mich darauf verlassen, daß du kommen wirst?“
    „Ich komme. Sprechen wir jetzt nicht weiter davon!“
    Er fiel wieder in sein

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