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27 - Im Lande des Mahdi I

27 - Im Lande des Mahdi I

Titel: 27 - Im Lande des Mahdi I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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wir in das Boot gestiegen waren und uns anschicken, vom Land zu stoßen, erhob sich der Fakir von der Erde, kam zu uns herbei und fragte mich:
    „Effendi, es scheint, ihr richtet eure Fahrt gegen den Strom?“
    „Ja, wir segeln aufwärts nach Siut.“
    „Dann erlaube, daß ich einsteige und mit euch fahre! Ich habe dort zu beten.“
    Er kam herein und setzte sich mir gegenüber, ohne meine Erlaubnis abzuwarten. Das konnte mich gar nicht befremden. Ein Fakir ist ein Mann, welcher allem Tand der Erde entsagt, um allein Gott zu loben; er wird zunächst als arm und sodann als heilig betrachtet, und kein guter Mohammedaner wird ihm die Erfüllung eines nicht ganz und gar unbilligen Wunsches versagen. Es war daher ganz selbstverständlich, daß er nicht wartete, bis ich seine Bitte beantwortet hatte. Ich erfüllte sie ihm übrigens von Herzen gern, weil der Eindruck, welchen er auf mich gemacht hatte, ein so günstiger gewesen war. Seine Gegenwart störte mich auch gar nicht, denn kaum hatte er sich niedergesetzt, so bog er den Oberkörper weit vornüber, blickte unausgesetzt zu Boden, ließ die Kugeln der Gebetskette durch die Finger gleiten und bewegte betend die Lippen. Er war wieder ‚in Allah versunken‘.
    Auf ein Gespräch verzichtete ich. Noch war mir die Brust von der eingeatmeten Höhlenluft schwer beklemmt, und die düsteren Bilder, welche ich vor Augen gehabt hatte, hafteten in meinem Innern und stimmten mich zum Schweigen. Ich zog das Geschenk des Führers aus der Tasche und löste es aus seiner Umhüllung. Was kam zum Vorschein? Eine Hand, eine rechte, weibliche Hand, kurz hinter dem Gelenk wie mit einem Messer von dem Arm getrennt. Sie war klein und fein gegliedert; es schien die Hand eines zwölfjährigen Mädchens zu sein; in Anbetracht der hier gegebenen Verhältnisse aber mußte die einstige Besitzerin wohl siebzehn Jahre alt gewesen sein. Die Farbe war ein dunkles Zitronengelb mit leisem Bronzeglanz. Die Finger waren leicht gebogen, wie zum Anbieten oder Erlangen einer Gabe. Die innere und äußere Fläche enthielten je eine noch sehr gut erhaltene Vergoldung. Die erstere Vergoldung stellte einen Cheper vor, den Scarabäus, den heiligen Käfer der Ägypter, welcher ein Symbol der Sonne und der Weltschöpfung war. Die letztere Vergoldung zeigte die heilige Uräusschlange. Da nur die Könige und die Mitglieder königlicher Familien sich dieses Zeichens bedienen durften, so mußte ich vermuten, daß ich die Hand einer königlichen Prinzessin, einer Pharaonentochter in der meinen hielt.
    Die Umhüllung enthielt einen kleinen Zettel, auf welchem in arabischer Schrift und Sprache die Worte standen: ‚Das ist die rechte Hand von Duat nefret, der Tochter von Amenemhe't III.‘ Wenn diese Worte die Wahrheit enthielten, so hatte ich ein kostbares Geschenk erhalten, denn dieser Amenemhe't III. ist der berühmteste Herrscher der zwölften Dynastie gewesen.
    Also die Hand, welche ich jetzt besaß, sollte diejenige einer Tochter dieses großen und berühmten Herrschers sein! Er hat ungefähr zweitausend Jahre vor unserer Zeitrechnung gelebt, also war die Hand gegen viertausend Jahre alt. Und doch, wie wunderbar gut war sie erhalten! Sie besaß die ganze Fülle der jugendlichen Form, und die Henna-Färbung der Nägel war ganz deutlich zu erkennen. Hätte sie nicht Mumienhärte besessen, so wäre leicht zu denken gewesen, daß sie erst vor wenigen Augenblicken einem lebenden Fellahmädchen abgelöst worden sei.
    Ich wollte die Hand wieder in den Umschlag hüllen; da streckte der alte Fakir, um sie wegzunehmen und zu betrachten, die seinige aus. Während sein Auge auf ihr ruhte, nickte er wie eine Pagode unaufhörlich mit dem Kopf auf und nieder, reichte sie mir dann zurück und sagte:
    „Eine Hand aus dem Harem eines vornehmen Mannes. Was mag sie gegeben haben, Liebe oder Haß? Und was mag sie empfangen haben, Glück oder Unheil. Nun gibt und empfängt sie nichts mehr. Du wirst sie mit in deine Heimat nehmen, um sie aufzubewahren; aber sie wird doch in Staub zerfallen, denn alles, alles muß vergehen, und nur Allah allein bleibt, wie er ist. Suchst du hier nach solchen Überresten?“
    „Nein. Aber es ist hochinteressant, sie zu sehen.“
    „Was hast du da gesehen? Die Leichen von Krokodilen und Schlangen, einige Überreste menschlicher Körper. Das ist nichts. Ich kenne Gräber, in welchen die Körper von Königen und Königinnen nebeneinander liegen, und kein Europäer wird sie entdecken.“
    „Aber sie sind

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