272 - Dieser Hunger nach Leben
und rieb sich zärtlich an ihren Brüsten.
Die anderen hingegen musterten die Tainofrau mit finsteren, ablehnenden Blicken - ausgenommen Maxim, der eher lüstern und gierig starrte, und de Javier, der in ihr die vom Mast herab gestiegene Jungfrau Maria sah und mit ihr würfeln wollte.
Higuemota umarmte den Mönch ebenfalls. »Mi corazón«, sagte sie flüsternd in gebrochenem Spanisch und legte ihre Wange an die seine. Tränen rannen aus ihren Augen. »Was tust du auf diesem Schiff? Ich bin so froh, dass ich dich gefunden habe.«
»Was tust du hier?« Der Dominikaner führte die Taino an einen Platz, der sie den Blicken der anderen weitgehend entzog.
»Ich wurde bei dem Überfall der Hidalgos gefangengenommen und als Sklavin entführt«, berichtete Higuemota, während sie versuchte, Bartolomés Hand zu halten. Da er sich aber erinnerte, dass dies unziemlich war, entzog er sie ihr.
»Als Sklavin wurdest du gehalten?«, erwiderte er und zog ein nachdenkliches Gesicht. »Das ist unerhört, da die Königin verboten hat, Taino als Sklaven zu nehmen. Und wie kamst du auf dieses Schiff?«
»Ich wurde zuerst ins Fort El Castillo gebracht, wo ich dem Kommandanten Alfonso Ensenat de Villalonga zu Diensten sein musste«, berichtete sie. »Er misshandelte mich wie eine Hündin. Weil er aber beabsichtigte, zurück nach Spanien zu reisen, ließ er mich auf die Doña Filipa bringen, da ich ihm vorausgehen und ihn in Spanien erwarten sollte. Ich war in einem Verschlag eingesperrt. Jetzt erst gelang es mir, mich zu befreien.«
Bevor Bartolomé über diese seltsame Eröffnung nachdenken konnte, hatte er sie bereits wieder vergessen. »Ich freue mich sehr, dass ich dich wieder habe, meine goldene Blume.«
Mutter war zufrieden.
***
Die schwarze Karavelle segelte an der Südküste Britanniens entlang Richtung Osten. Doch der Glanz - der stärkste, den Mutter seit dem Zeitstrahl gewittert hatte - entfernte sich immer weiter von ihnen. Mutter hoffte, dass sie ihn irgendwann doch einholen würde. Wichtig war, dass er wieder in die Nähe der Küste kam oder an einem Wasserweg Station machte, über den sie das Schiff lenken konnte.
Der Glanz blieb immer auf einen Punkt konzentriert, trennte sich nie auf. Inzwischen war Mutter sicher, dass es sich um einen einzelnen Menschen handelte, der mindestens einmal selbst im Zeitstrahl gewesen sein musste. Eine ungeheure Energiequelle!
Viele Tage segelte die schwarze Karavelle in Richtung Osten. Nicht alle Küstenstädte suchten die Schatten heim, denn Mutter war so auf den Glanz fixiert, dass sie keine unnötige Zeit verlieren wollte.
Schließlich konnte Mutter erkennen, dass der Glanz auf eine Metropole zuhielt, die von den Einheimischen »Landán« genannt wurde. Durch die zahlreichen Informationen, die mit den menschlichen Lebensenergien ins Kollektiv strömten, hatte Mutter ihr Wissen enorm erweitern können und wusste, dass Landán auf dem Wasserweg erreicht werden konnte. Darum lenkte sie die schwarze Karavelle die Themse hinauf.
Der Umweg dauerte viele Tage und Mutter war froh, dass der Glanz in Landán zu verharren schien. Bei Daatfed, wie die Einheimischen den Ort nannten, musste sie eine Zwischenstation einlegen, um neue Lebensenergie zu tanken und sich für den Rest der Etappe zu rüsten. Sie entließ die Schatten in voller Mannschaftsstärke in die Ruinen. Sogar Higuemota war nun dabei und ging gemeinsam mit Bartolomé auf die Jagd. Sie schien, wie geplant, einen guten Einfluss auf ihn auszuüben, denn er kehrte mit mehr Energie als sonst zurück.
Als die schwarze Karavelle auf Landán zu segelte, bemerkte Mutter , dass sich der Glanz plötzlich in Richtung Norden entfernte. Schmerzhafte Enttäuschung machte sich in ihr breit. Sie ahnte nicht, dass ihr Opfer selbst einer Spur folgte; dass ein sorgender Vater seine Tochter und deren Mutter finden wollte und sich darum nach Schottland aufmachte. Sie wusste auch nichts von den Kämpfen der abtrünnigen Technos in London, von dem Taratzenkönig Hrrney oder von den barbarischen Lords. [4]
Letzteren aber würde sie noch begegnen, denn wieder spürte sie die Tachyonen, die Matthew Drax unwissentlich zurückgelassen hatte und die sie eine Zeitlang nähren konnten.
Es war später Abend, als die schwarze Karavelle Tschelsi erreichte, wo Grandlord Paacival und Biglord Djeyms am Ufer der Themse saßen und ihre Angelhaken auswarfen. Die beiden Lords, die die Kämpfe gegen die Taratzen weitgehend unversehrt überstanden hatten,
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